2018 lebten weltweit 37,9 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion. 770.000 Erkrankte starben 2018 durch die Folgen von Aids. 1,7 Millionen Menschen infizierten sich neu (weitere Informationen hier). In Deutschland ist die Zahl der Menschen mit einer HIV-Infektion laut Robert Koch-Institut bis Ende 2018 auf 87.900 gestiegen, von denen etwa 10.600 HIV-Infektionen noch nicht diagnostiziert sind. Allein ein kurzer Blick auf die Statistiken zeigt, wie bedeutend Forschungen zum individuellen, gesellschaftlichen und politischen Umgang mit der Epidemie sind.
Wie erinnern sich Zeitzeugen an AIDS? Wie haben sie die Krankheit erlebt, wie dagegen gekämpft? Welchen Einfluss hat der Umgang mit der Epidemie bis heute? Wie hat er Gesellschaften in unterschiedlichen Ländern verändert? Und was bedeutet das für die Zukunft? Diese und weitere Fragen haben Forschende der Humboldt-Universität zu Berlin im Rahmen des Forschungsprojektes „Disentangling European HIV/AIDS Policies: Activism, Citizenship and Health“ (EUROPACH) analysiert, zusammen mit der Goldsmiths’ University of London, der Universität Basel und der Jagiellonian University in Krakow. 14 assoziierte nicht-akademische Partnerorganisationen haben sie dabei beratend unterstützt. Finanziert wurde das Projekt durch das europäische Netzwerk „Humanities in the European Research Area (HERA)“ im Rahmen des dritten HERA-Forschungsprogramms „Uses of the Past“.
Geschichte(n) zum Umgang mit AIDS
Wie Vergangenheit reflektiert und für Gegenwart und Zukunft genutzt werden kann, zeigt nun das European HIV/AIDS Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin: Es eröffnet einen Raum, Erinnerungen an das Leben mit HIV/AIDS, das zivilgesellschaftliche Engagement und AIDS-Politiken in Europa zu bewahren, Geschichten zu teilen und aus der Vielstimmigkeit zu lernen. Rund 100 Interviews sowie weitere Materialien machen deutlich, wie unterschiedlich HIV/AIDS erlebt, gelebt und bekämpft wurde. Im Fokus stehen „Oral-History-Interviews“, die eine lebendige und multi-perspektivische Erinnerung ermöglichen. In Video- und Audio-Interviews berichten Zeitzeugen intuitiv von ihren Erfahrungen und Erlebnissen, etwa zum Thema Sexarbeit, Drogen, Migration oder Gefängnis. Geplant ist, weitere „Oral-History-Interviews“ zum Thema HIV/AIDS ins EHAA aufzunehmen.
Die Bestände des EHAA können anhand von Metadaten recherchiert werden. Einige Interviews sind online frei zugänglich, andere können auf Antrag in der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, für Forschungszwecke und Bildungsprojekte genutzt werden.
Die Initiative geht auf den Arbeitskreis AIDS-Geschichte ins Museum (AKAIM) der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. zurück. Die Idee für ein Oral-History-Archiv wurde im Rahmen von zwei Forschungsprojekten am Institut für Europäische Ethnologie in Zusammenarbeit mit AKAIM weiterentwickelt: Disentangling European HIV/AIDS Policies: Activism, Citizenship and Health (EUROPACH, gefördert durch HERA) und „Keine Rechenschaft für Leidenschaft!“ Aids-Krise und politische Mobilisierung in den 1980er und frühen 1990er Jahren in Deutschland (DFG-gefördert).