Je nach Art der bereitgestellten Daten gibt es auf dem Feld der Geistes- und Sozialwissenschaften unterschiedliche Typen von Forschungsdateninfrastrukturen. Das Spektrum reicht von Panels und Surveys, die regelmäßige Bevölkerungsbefragungen beinhalten, über digitale Angebote geisteswissenschaftlicher Quellen, Software zu deren Auswertung, bis hin zu Portalen, die den Zugang themenspezifisch vorstrukturieren sowie dazugehörigen Schulungsangeboten.
Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)
Um einen Prozess für professionelles Datenmanagement und die Harmonisierung von Forschungsdaten in Deutschland voranzutreiben, empfahl der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingesetzte Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII) im Jahr 2016 den Aufbau der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Dieser Prozess wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) umgesetzt. Ziel ist es, Daten aus Wissenschaft und Forschung zur Verfügung zu stellen, zu vernetzen und langfristig nutzbar zu machen. Hierfür werden Standards, Dienste oder Trainingsangebote entwickelt, welche in knapp 30 fachlich oder methodisch organisierten Konsortien unter einem Dach zusammengeführt werden.
BMBF-geförderte Forschungsdateninfrastrukturen
Im Bereich der Sozialwissenschaften unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit Anfang 2020 den Aufbau und Betrieb des familiendemografischen Panels „FReDA – Family Research and Demographic Analysis“, mit dem bundesweit mehrere Tausend zufällig ausgewählte Menschen im Alter von 18 bis 49 Jahren sowie ihre Partnerinnen und Partner befragt werden. Seit 2021 werden durch das Ministerium Fördermittel für den Aufbau und Betrieb eines „Datenportals für die Rassismus- und Rechtsextremismusforschung (DP-R|EX)“ bereitgestellt.
Zudem unterstützt das BMBF seit Anfang der 2000-er Jahre das Bemühen der Gesellschaftswissenschaften für einen verbesserten Zugang zu statistischen Daten, beispielsweise denen der Rentenversicherung sowie der einschlägigen Landes- und Bundesbehörden. In diesem Zusammenhang wurde der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) etabliert und über 15 Jahre – bis 2020 – durch das BMBF finanziert. Der RatSWD ist mittlerweile in der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), als Bestandteil des KonsortSWD verankert.
Auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften liegt ein aktueller Förderschwerpunkt des BMBF in der Generierung neuer Quellen für die Forschung. Dies geschieht etwa durch die Digitalisierung oder Erschließung von Beständen in Sammlungen und Archiven (eHeritage). Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Förderung der Erforschung neuer digitaler Möglichkeiten und der methodischen Weiterentwicklung der Digital Humanities mit dem Fokus nicht-textbasierter Quellen. Projekte beider Maßnahmen greifen auf die Dienste von geisteswissenschaftlichen Forschungsdateninfrastrukturen zurück und befördern so deren Etablierung. Als Forschungsinfrastrukturen für die Geisteswissenschaften wurden schon seit den 2000-er Jahren „Common Language Resources and Technology Infrastructure (CLARIN-D)“ und „Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities (DARIAH)“ vom BMBF gefördert. Beide Forschungsdateninfrastrukturen haben sich seit 2019 in einem Verein (CLARIAH.de) etabliert und werden zusammen mit weiteren Akteuren über die NFDI als Konsortium „Text+“ gefördert.
Beteiligung an Europäischen Forschungsdateninfrastrukturen
Im Jahr 2002 wurde durch den EU Council der Forschungsminister das multidisziplinäre Europäische Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (European Strategy Forum on Research Infrastructures), ESFRI, ins Leben gerufen. Dies sieht eine Etablierung von exzellenten thematischen und themenübergreifenden Forschungsinfrastrukturen als Verbünde europäischer Partner vor, indem diese in einem Roadmap-Prozess begleitet werden. ESFRI veröffentlich hierfür in regelmäßigen Abständen einen Strategie-Report, die sogenannte „ESFRI-Roadmap“.
Die Bundesrepublik Deutschland ist Mitglied in den meisten europäischen Forschungsdateninfrastrukturen. In der Regel sind deutlich mehr als die Mindestanzahl von 3 Ländern an der Etablierung der europäischen Infrastrukturen beteiligt, wobei jeweils ein europäischer Mitgliedsstaat koordinierende Aufgaben übernimmt. Für den „Survey on Health, Ageing and Retirement in Europe" (SHARE) ist die internationale Koordination in Deutschland, an dem eigens dafür gegründeten SHARE Berlin Institute (SBI), angesiedelt. Für zwei weitere sozialwissenschaftlich ausgerichtete europäische Infrastrukturen, den „European Social Survey (ESS)“ und das „Consortium of European Social Science Data Archives (CESSDA)“, werden die deutschen Projektarbeiten durch GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften koordiniert. Auf dem Feld der Geisteswissenschaften ist Deutschland Mitglied in den europäischen Pendants der oben genannten etablierten Infrastrukturen „Common Language Resources and Technology Infrastructure (CLARIN-D)“ und „Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities (DARIAH)“, aber auch in den beiden recht jungen Infrastrukturen „European Holocaust Research Infrastructure (EHRI) sowie „Open Scholarly Communication in the European Research Area for Social Sciences and Humanities“ (OPERAS).