Seit kurzem ist die digitale Publikationsplattform des Akademienprogramm-Projekts „Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland“ online. Über Hintergründe und den „Mehrwert“ des Forschungsprojektes sprachen wir mit Privatdozent Dr. Matteo Burioni, Leiter der Münchner Arbeitsstelle am Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Im Konzert der europäischen Mächte fand um 1700 ein enormer politischer, sozialer und kultureller Wandel statt, der auch die herrschaftliche Repräsentation betraf. Die Decken- und Wandmalerei erwies sich hierfür als ideales Medium. Zumeist zeigen die Gemälde mythologisch oder allegorisch entworfene Götterwelten und thematisieren die Ansprüche und Ideale der fürstlichen Auftraggeber.
Die Malerei, die heute in Museen präsentiert wird, macht nur einen Teil der Deckenmalerei aus. Eine Vielzahl an Werken ist dagegen noch an den Orten zu besichtigen, für die sie ursprünglich geschaffen wurden. Die reiche Schlösserlandschaft in Deutschland bietet eine Menge an hochkarätigen, bekannten Werken der Wand- und Deckenmalerei wie auch viele Werke, die neu zu entdecken sind.
Seit April 2015 läuft das Forschungsprojekt „Das Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland“ im Akademienprogramm der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Worum geht es, Herr Dr. Burioni?
Mit unserem Forschungsprojekt haben wir uns zum Ziel gesetzt, den Bestand von über 4.000 erhaltenen und rekonstruierbaren Kunstdenkmälern aus der Zeit von ca. 1550 bis 1800 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstmalig umfassend zu dokumentieren, zu analysieren und zu präsentieren.
Und zwar in dreierlei Hinsicht:
Erstens in Texten und neu angefertigtem sowie historischem Bild- und Planmaterial.
Zweitens im kunsthistorischen, architektonischen und historischen Kontext.
Und drittens mit innovativen digitalen Techniken in einer online-basierten Datenbank.
Welchen Beitrag leistet Ihr Akademien-Projekt zur Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung unserer kulturellen Überlieferung? Bitte erzählen Sie uns von Ihrer Publikation.
Seit Oktober sind über 4.000 Denkmäler mit Decken- und Wandmalereien mit hochauflösenden, digitalen Fotografien und wissenschaftlichen Texten in einer opulent ausgestatteten Dokumentation erfasst.
Ausgehend von Italien zeigt der Band, wie die europäischen Höfe etwa in Spanien, Frankreich, Deutschland, Polen oder Tschechien die Deckenmalerei für ihre politischen Zwecke zu nutzen wussten.
Ein wesentliches Ergebnis des Buches ist, dass im Unterschied zur älteren Forschung keine klare Entwicklung von einer von Stuckrahmen strukturierten Decke hin zur gesamtillusionistischen Deckenausmalung nachgewiesen werden kann.
Beide Möglichkeiten standen zur Verfügung, und man bediente sich ihrer nach Bedarf.
Vorher ging die Forschung von einer inneren, stilistischen Entwicklung der Deckenmalerei aus, die sich in bestimmten Stufen und einer klaren Abfolge ‚wie von selbst‘ zur Illusion hin fortarbeitet. Die These einer Entwicklung lässt sich nicht halten:
Heute erkennen wir dagegen die Bedeutung der Auftraggeber. Diese orientierten sich in ihrem politischen und kulturellen Netzwerk an anderen Höfen.
Anstelle einer ‚stilistischen Entwicklung‘ können wir durch den weitaus besseren Überblick der erhaltenen und zerstörten Werke eine Entscheidung auf der Seite der Auftraggeber als Grund ausmachen.
Ihr Projekt geht weit über die übliche Digitalisierung in den Geistes- und Sozialwissenschaften hinaus – und eröffnet ganz besondere, sehr intensive Blickwinkel…
Ja, das ist richtig. Man muss nicht einmal den Kopf in den Nacken legen. Mit unserer Online-Publikationsdatenbank haben wir ein virtuelles Museum der architekturgebundenen Malerei auf dem Gebiet der Bundesrepublik geschaffen, das zum Forschen, zum Entdecken und zum Besuchen dieses herausragenden Kulturerbes einlädt. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann nun selbst nachsehen, wo sich barocke Deckenmalerei in einem Schloss in ihrer/seiner Nähe findet und wie diese mit neuesten digitalen Mitteln erforscht werden kann.
Dieser reiche, mit hochauflösenden Fotografien bebilderte, von Tag zu Tag wachsende Schatz steht allen Interessierten offen!
Neben der bisher gezeigten Fotografie arbeiten wir auch mit hochauflösenden 3D-Darstellungen in Virtual Reality. In Zukunft werden diese ebenfalls auf der Publikationsdatenbank zu sehen sein.
Das Akademienprogramm:
Es hat die Aufgabe, das kulturelle Erbe weltweit zu erforschen, zu bewahren, zu interpretieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es ist das größte geistes- und sozialwissenschaftliche Langzeitforschungsprogramm Deutschlands - und auch international einzigartig. Projekte kommen aus allen Bereichen von Kultur, Geschichte, Musik, aus Theologie, Wissenschaft, Philosophie, aus Ideengeschichte, Architektur oder Recht und behandeln Dokumentationen, Wörterbücher, bedeutende Nachlässe, Erschließungen u.ä. - im In- und Ausland. Es wird von der der Akademienunion koordiniert und je zur Hälfte vom Bund und den Ländern finanziert. Die Projekte laufen zwischen 12 und 25 Jahren.
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