Die Sammlung Wolfgang Haney: Umfang und Öffentlichkeitswirksamkeit
1989 wurde Wolfgang Haney (1924‒2017) als passionierter Sammler auf dem Gebiet der Numismatik im Rahmen der Internationalen Münzen- und Banknotenbörse in Berlin auf zwei Geldscheine aus dem KZ Oranienburg aufmerksam und erwarb sie. Da er zuvor nicht wusste, dass es in Konzentrationslagern Geld gab, tat sich ihm ein „völlig unbekanntes, neues Sammelgebiet auf.“
Haneys ursprüngliches Vorhaben, sich ausschließlich auf Geld aus ehemaligen Konzentrationslagern zu fokussieren und sich damit nicht von seinem Interessenfeld der Numismatik zu lösen, änderte sich bald. Dies mag unter anderem daran gelegen haben, dass Händler*innen ihm zusätzlich zu den numismatischen Objekten auch andere Gegenstände aus Konzentrationslagern wie beispielsweise Häftlingspost sowie antisemitische Postkarten anboten beziehungsweise die Gegenstände jeweils nur als Konvolute verkauften. So zeichnete sich Haneys Kollektion schon bald durch die Verschiedenheit der Material- und Objektgattungen aus und in fast 30 Jahren – zwischen 1989 und 2017 – entstand die heutige Sammlung Haney.
Zeitschichten der Sammlung
Die fast 15.000 Objekte der Sammlung Haney lassen sich drei Zeitabschnitten zuordnen:
Der erste Zeitabschnitt umfasst antisemitische Objekte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1933. Dabei handelt es sich primär um Massenware wie Postkarten, Vignetten, Plakate und Porzellanfiguren.
Die zweite historische Ebene bezieht sich auf die Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945. Ihr lassen sich erneut die bereits aufgezählten Objektgruppen, vorwiegend jedoch solche mit Bezug auf die Juden- und Jüdinnenverfolgung zuordnen, also postalische Dokumente, Lebensmittelkarten, Lagergeld und ferner dreidimensionale Gegenstände aus Konzentrationslagern, Pässe, Bescheide sowie Fotografien.
Die dritte zeitliche Schicht beinhaltet Gegenstände ab 1945 bis in die Gegenwart. Dazu zählen auf der einen Seite Objekte der Erinnerungskultur wie Gedenkmedaillen und -briefmarken, auf der anderen Seite auch solche, die vom Antisemitismus und Rechtsextremismus nach 1945 zeugen, wozu erneut vor allem Vignetten gehören.
Damit umfasst die heterogene Sammlung Haney verschiedenste Materialgattungen unterschiedlicher, auch internationaler Herkunft. Sie eint Objekte der Massenkultur mit Unikaten, womit sie gleichzeitig Wolfgang Haneys breites Sammlungsinteresse widerspiegelt.
Öffentlichkeitswirksamkeit der Sammlung
Ein Alleinstellungsmerkmal der Haney’schen Sammlung ist deren enorme Öffentlichkeitswirksamkeit und die damit einhergehende Wissenskommunikation, die aufgrund von Haneys stetigem Engagement und seinem großen Netzwerk, bestehend aus Wissenschaftler*innen, Mitarbeiter*innen in Museen und anderen Institutionen sowie Privatpersonen, in diesem Umfang möglich waren. Bereits in den 1990er Jahren bot Haney seine Sammlung proaktiv und international an, wie beispielsweise seine Briefe an diverse US-Museen dokumentieren. Schon seit Beginn seiner Tätigkeit für die Sammlung war er dauerhaft darum bemüht, diese in der Öffentlichkeit zu präsentieren und damit seiner Motivation zu folgen, über Antisemitismus und Nationalsozialismus aufzuklären und politisch zu bilden.
Haney gab zahlreiche Interviews, die – erschienen in Print und Audio – dem populären Medienumfeld zuzurechnen sind. Außerdem hielt er selbst als Sammler und Zeitzeuge viele Vorträge, womit er zur Erwachsenen- sowie Jugendbildung beitrug und dadurch auch eine pädagogische Rolle einnahm. Gleichzeitig sind die Publikationen, welche zu verschiedenen Themenfeldern der Kollektion veröffentlicht wurden und bei denen Haney teils auch als Herausgeber mitwirkte, wie auch die zahllosen (Dauer-)Leihgaben, die er stets freigiebig an etliche Institutionen vergab, im wissenschaftlichen Umfeld zu verorten.
Ausstellungen
1999 eröffneten das Jüdische Museum und das Museum für Post und Kommunikation in Frankfurt am Main die Ausstellung Abgestempelt. Judenfeindliche Postkarten. In beiden Häusern waren zusammengefasst 600 Postkarten mit antisemitischen Motiven aus der Sammlung Haney sowie ergänzende Objekte zu sehen. Die Ausstellung fand einen so großen Zuspruch, dass sie nach Frankfurt auch noch in Hamburg, Nürnberg, Berlin sowie in Heidelberg präsentiert wurde. 2004 übernahm die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) Abgestempelt als Wanderausstellung in ihr Programm; hierfür wurde die ursprüngliche Fassung überarbeitet und komprimiert. In dieser zweiten Version war Abgestempelt an mindestens 19 Orten zu sehen, bis sie 2015 erneut im Auftrag der bpb überarbeitet und seitdem an weiteren 36 Orten präsentiert wurde. Bis heute wurde Abgestempelt folglich an mindestens 60 Orten ausgestellt und wird nach wie vor verliehen.
Ferner erarbeitete die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz in Berlin die Ausstellung Spuren aus dem Getto Łódź 1940-1944, welche zwischen 1999 und 2000 zu sehen war und nahezu ausschließlich auf Objekten der Sammlung Wolfgang Haneys basierte. Die Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegung in der deutschen Geschichte in Rastatt konzipierte die Schau ‚…und wir hörten auf, Mensch zu sein.‘ Der Weg nach Auschwitz im Spiegel der Sammlung Wolfgang Haney, welche ab 2005 nach Rastatt an zwölf weiteren Orten in Deutschland und Polen zu sehen war, darunter Berlin, Osnabrück, Wrocław und Kraków. Zudem kuratierte Isabel Enzenbach auf Basis der antisemitischen Vignetten der Sammlung Haney die Schau Angezettelt. Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute, welche bis dato an 13 Orten in Deutschland und Österreich gezeigt wurde.
Darüber hinaus vergab Wolfgang Haney äußerst großzügig Leihgaben an Museen in Deutschland und Europa – darunter das Deutsche Historische Museum in Berlin, die Jüdischen Museen in Berlin und Frankfurt und die Fondazione Museo della Shoah in Rom. Diese enorme Öffentlichkeitswirksamkeit der Sammlung wird auch nach dem Tod Wolfgang Haneys 2017 nicht abreißen, schließlich übernahm das Deutsche Historische Museum (DHM) die Kollektion Ende 2019 mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und der Kulturstiftung der Länder. Die Sammlung Wolfgang Haney wird bei der Neukonzeption der Ständigen Ausstellung des DHM eine wichtige Rolle spielen.
Autorin: Wiebke Hölzer
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