Von Filmkulturerbe über Bürgerforschung (Citizen Science) bis hin zu „citizen journalists“ – das Kleine Fach Filmwissenschaft gibt spannende Antworten auf gesellschaftsrelevante Fragen der Moderne, wie drei aktuelle Projekte der Förderlinie „Kleine Fächer - Große Potenziale“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zeigen. Geben Sie uns Ihr Feedback in einem Kommentar!
Jede Stadt hat das filmische Gesicht?
New York, Potsdam, Aahus? Nicht nur die Filmmetropole New York, sondern auch das brandenburgische Potsdam und das dänische Aarhus wollen ihre Städte als medial aufgeladene Orte bekannt machen. Fragt sich nur, wie? Welche Strukturen sind für die Herausbildung eines „Key-Narrativs“ über die Städte verantwortlich? Welche Aspekte der Mediengeschichte werden im Markenbildungsprozess „erzählt“ – und welche möglicherweise nicht? Diese Forschungsfragen untersucht Dr. Anna Luise Kiss in ihrem Projekt „Das filmische Gesicht der Städte“ (2019-2022), das an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF und der Aarhus University angesiedelt ist. Potsdam und Aarhus dienen als Modellstädte, um unterschiedliche Ansätze in der medien- (geschichtlich-) basierten Markenbildung zu beobachten. Nicht nur die offiziellen Einrichtungen prägen das „filmische Gesicht“ der Städte. Zahlreiche weitere Akteur*innen spielen dabei eine Rolle. Diese Diversität will Anna Luise Kiss mit ihrer Forschung sichtbar machen.
Ein Aspekt ist, Bürgerinnen und Bürger in die Forschung einzubinden. Der Grund liegt auf der Hand: Bei der so genannten Bürgerforschung (Citizen Science) wird wissenschaftliches Wissen außerhalb der institutionalisierten Wissenschaft erzeugt und in die Wissenschaft zurückgeführt. Darüber entsteht nicht nur der Austausch von Wissen sondern auch der Zugang zu Wissen, was großen Mehrwert bringen kann, für die Forschung, die Gesellschaft und natürlich die Beteiligten, die an der Forschung teilhaben können.
Mit dem Bürgerforschungsprojekt „Das filmische Gesicht der Stadt Potsdam“, das vom 25. Januar bis 1. März 2020 lief, konnten sich Interessierte an der Forschung beteiligen: Bürgerinnen und Bürger waren eingeladen, Objekte im städtischen Raum zu entdecken, die auf die Filmgeschichte und aktuellen Medienproduktionen verweisen. Ihre filmischen Fundstücke konnten sie den Forschenden melden. Die beeindruckenden Ergebnisse solcher Bürgerforschung können sich sehen lassen.
Im Rahmen ihres Forschungsvorhabens „Das filmische Gesicht der Städte“ produziert Kiss zudem den englischsprachigen Podcast „Film Studies bling-bling“ mit Interviews zu Forschungsprojekten und Themen der Filmwissenschaft, etwa zu Citizen Science oder auch zu ihrem Forschungsalltag. Zudem gibt Kiss auf dem Open-Media-Studies-Blog Informationen rund um wissenschaftliche Podcasts.
Initiatorin und Kuratorin dieses Open-Media-Studies-Blog ist Dr. Alena Strohmaier. Seit 2019 leitet die Filmwissenschaftlerin das Forschungsprojekt "'But I’m not filming! I’m just doing a bit of video…' Filmische Aneignungsprozesse von Videos der populären Aufstandsbewegungen 2009-11 im Mittleren Osten und Nordafrika" an der Philipps-Universität Marburg (Institut für Medienwissenschaft/Centrum für Nah- und Mittelost Studien). Die Grüne Bewegung im Iran 2009 und der Arabische Frühling 2011 wurden vorwiegend von „citizen journalists“, also von Amateuren mit mobilen Handkameras, dokumentiert und über die sozialen Netzwerke weltweit verbreitet. Einige dieser Videos fanden wiederum Eingang in Langfilme von professionellen Filmschaffenden. Gab es dabei ästhetische oder narrative Veränderungen? Im Zentrum des Projekts steht die Analyse dieser filmischen Aneignungsprozesse der Videos der populären Aufstandsbewegungen im Mittleren Osten und Nordafrika 2009-11.
Partizipation durch „das Dokumentarische im Digitalen“
Welchen Beitrag können digitale Formen des Dokumentarischen leisten, um wissenschaftlich fundiert, verständlich und interaktiv komplexe Sachverhalte darzustellen? Und wie können sie zugleich zur Partizipation an aktuellen Diskursen anregen? Mit diesem Forschungsthema befasst sich Dr. Anna Wiehl in ihrem Projekt „Das Dokumentarische im Digitalen“
Das Dokumentarische als Genre und Kulturtechnik öffnet uns gewissermaßen Zugänge zur Welt – es prägt in mediatisierten Gesellschaften unsere Selbst- und Fremdbilder und vermittelt uns Wissen von Welt und Wirklichkeit. Gerade weil heute jeder Videos, Texte und Audioaufnahmen 'posten' kann, eröffnen innovative dokumentarische Projekte aktive Teilhabe an Diskursen: Die Grenzen zwischen (Dokumentar-) Filmemachern, den Protagonisten der dokumentarischen Erzählungen und den Zuschauern werden immer durchlässiger, so dass nicht nur über Menschen und Ereignisse Filme gemacht werden, sondern man gemeinsam miteinander ein mediales Projekt realisiert.
An dieser Stelle setzt das Projekt "DiD – Das Dokumentarische im Digitalen" an: Gesamtziel des Vorhabens ist es, entlang der Achse der Universitäten Bayreuth – Hamburg zu untersuchen, inwiefern die Möglichkeiten der Beteiligung durch dokumentarische Praktiken im Digitalen tatsächlich vielstimmiger sind, auch Vielfalt widerspiegeln und das vermeintlich 'Andere' oder 'Fremde' selbst zu Wort kommen lassen.
Ein Beispiel ist ‚The Quipu Project (2015)‘, das sich dem lange tabuisierten Thema massenhafter Zwangssterilisation in Peru in den 1990er Jahren widmet und auf einem dichten Netzwerk verschiedener medialer Praktiken beruht. Um dieses düstere Kapitel der Geschichte aufzuarbeiten, setzen die Initiatoren des Projektes auf die Kombination von analogen und digitalen Medien – wie Telefon, Print, Radio, Film, insbesondere aber digitale Medien wie das Internet sowie die Organisation von Aufklärungskampagnen in entlegenen Andendörfern, in denen die Betroffenen meist leben.
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