Antifeministische Diskurse entwickeln angesichts des Wandels der Geschlechterverhältnisse umfassende Krisen- und Bedrohungsszenarien. Als bedroht gelten etwa vermeintlich natürliche Geschlechteridentitäten, das Kindeswohl und die traditionelle Familie - und damit das Fundament der Gesellschaft. Das Projekt REVERSE legt erstmals eine systematische Analyse von Antifeminismus in fünf Feldern - Wissenschaft, Integrationsarbeit, (Sexual-)Pädagogik, Mutterschaft und ‚Ehe für alle‘ - vor. Gefragt wurde nach Dynamiken, Akteursstrukturen und Zielgruppen, nach Verschränkungen von Antifeminismus und Rassismus und nach der Verknüpfung antifeministischer Überzeugungen mit subjektivem Erleben und der Diskursivierung gesellschaftlicher Krisen.
Ergebnisse aus den Fallstudien
Wissenschaftliche Gender-Kritiker*innen haben eine Scharnierfunktion in antifeministischen Diskursen. Sie gelten im rechten und christlich-fundamentalistischen Spektrum als wissenschaftliche Autoritären zu Gender-Fragen. Auch in den politischen Leitmedien sind sie als Gastautor*innen und Interviewpartner*innen gefragt. Antifeministische Mobilisierungsversuche gegen die Eheöffnung blieben angesichts gewandelter gesellschaftlicher Einstellungen zu Homosexualität weitgehend erfolglos. Dagegen haben sie in der (Sexual-)Pädagogik angesichts einer schwache institutionellen Verankerung, Missbrauchsskandalen und Defiziten in der Ausbildung tiefe Spuren hinterlassen. In anderen Feldern fanden sich postfeministische Diskurse: In Mutterschaftsdiskursen verknüpfte sich die Biologisierung der Mutterrolle mit einem Diskurs, der die Realisierung von Gleichstellung als Frage von effizientem Selbstmanagement rahmt. In Orientierungskursen für neu Zugewanderte verband sich der nach rechts anschlussfähige Diskurs einer geschlechterpolitischen Überlegenheit des Westens mit der Überzeugung, Gleichstellung sei hierzulande bereits erreicht.
Perspektiven aus dem Projekt
Das REVERSE-Projekt zeigt, wie Krisendiskurse in Form von Bedrohungsszenarien von rechten und christlich-fundamentalistischen Akteur*innen strategisch eingesetzt werden, um gesellschaftliche Debatten zu polarisieren und so einen Nährboden für Angriffe gegen politisch unliebsame Personen zu schaffen. Das Projekt interpretiert Antifeminismus als Angriff auf die Demokratie: Antifeminismus verschränkt sich mit anderen Ideologien, die von der Ungleichwertigkeit von Menschen ausgehen, etwa mit Rassismus. Er betreibt in populistischer Manier Sündenbock-Politik und basiert auf autoritären Vorstellungen von Gesellschaft, die nicht mit demokratischen Prinzipien vereinbar sind.
Um dem entgegenzuwirken, ist der Ausbau und die Verstetigung antidiskriminierungspädagogischer, (sexual-)pädagogischer und geschlechterreflektierender Bildungsangebote ebenso erforderlich wie die Stärkung eine demokratischen Zivilgesellschaft.