Neue Publikation zur DDR-Forschung: „Disziplinieren und Strafen“
Am 14. April 2021 ist im Campus-Verlag der Band „Disziplinieren und Strafen: Dimensionen politischer Repression in der DDR“ erschienen, herausgegeben von Jörg Baberowski, Robert Kindler und Stefan Donth. Die Publikation, die im vom Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) geförderten Forschungsverbund „Landschaften der Verfolgung“ entstand, zeugt von der aktuellen Relevanz der DDR-Forschung.
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Planmäßige Produktion von Gehorsam, willkürliche Haftstrafen oder psychische Zersetzung – all das zählt zu den Disziplinierungsmaßnahmen der DDR und anderen sozialistischen Diktaturen. Sie sollten Macht demonstrieren, tatsächliche und vermeintliche Gegner strafen, Renitenz unterbinden und die Bevölkerung disziplinieren. Die Beiträge des Buches „Disziplinieren und Strafen“ zeigen differenziert und in teilweise erschreckender Deutlichkeit, wie die Täter vorgingen und weshalb Rehabilitierung und Aufarbeitung gut dreißig Jahre nach dem Mauerfall so schwierig sind. Ein überaus gesellschaftsrelevantes Thema, denn Erfahrungen mit Repressionen gleich welcher Art hinterlassen Spuren, prägen das gesellschaftliche Miteinander, die Wahrnehmung von Recht und Unrecht oder von Macht und Ohnmacht, um nur einige Aspekte zu nennen.
Repressionen in staatssozialistischen Gesellschaften
„Unsere Publikation resultiert aus den Forschungen der fünf Disziplinen Geschichte, Jura, Medizin sowie Politik- und Erziehungswissenschaften. Die Autorinnen und Autoren befassen sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Problem, welche Formen, Funktionen und Folgen Repressionen in staatssozialistischen Gesellschaften hatten“, erläutert Dr. Robert Kindler, einer der Herausgeber und wissenschaftlicher Koordinator des BMBF-Forschungsverbunds „Landschaften der Verfolgung“. Die Buchpräsentation fand zeitgleich zum Erscheinungstag online statt, im Rahmen der „Werkstattgespräche“. Mehr als 70 Teilnehmende nutzten die Gelegenheit, die Thematik des Buches mit den Herausgebern und mit Dr. Anna Kaminsky, der Geschäftsführerin der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur, zu diskutieren.
Drohen und Strafen, Disziplinieren und Erziehen
Wie sah der Zusammenhang zwischen Disziplinieren und Strafen in der Praxis aus? Wie funktionierte die Gehorsamkeitsproduktion in der DDR und wo verliefen die Grenzen zwischen Lenkung, Ermahnung und Zwang? Die Beiträge der ersten beiden Abschnitte des Buches diskutieren aus unterschiedlichen Perspektiven, wie Gehorsam und Gefolgschaft in der DDR hergestellt, erzwungen und auf Dauer sichergestellt wurden.
„Ein thematischer Schwerpunkt, der uns besonders wichtig ist, ist der Umgang mit Kindern in der DDR“, betont Kindler, „Mehrere Beiträge widmen sich diesem Thema, das auch in aktuellen Debatten – etwa in der Diskussion um Zwangsadoptionen, Kindererziehung und Repressionsmaßnahmen gegen Minderjährige – von großer Bedeutung ist“. So beschreiben zum Beispiel Florian von Rosenberg und Carolin Wiethoff in ihrem Beitrag ‚Zuerst der Staat, dann seine Kinder‘ die gravierenden Folgen des DDR-Krippensystems der 1950er und 1960er Jahre.
Bewältigen und Vergleichen
Ebenso aufschlussreich sind die beiden Abschnitte zum Thema Bewältigen und Vergleichen. Bezüglich der Aufarbeitung der SED-Diktatur geht es beispielsweise darum, ob es politisch motivierte Adoptionen gab, welche Rolle das Gewissen in der Diktatur spielte und wie es um die juristische Aufarbeitung des SED-Regimes und die angemessene Rehabilitierung seiner Opfer bestellt ist. Im Abschnitt zum Thema Vergleichen richtet sich der Blick auf die Disziplinierung der christlichen Kirchen im Spätstalinismus oder den Umgang mit Dissidenten in der späten Sowjetunion.
„Workshop und Tagungsband sind nicht zuletzt ein Beleg für die Kooperation zwischen den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsverbünden zur DDR-Forschung“, betont Kindler, „Neben mehreren Beiträgen aus unserem Verbund „Landschaften der Verfolgung“ beteiligten sich auch KollegInnen aus dem Verbund „Seelenarbeit im Sozialismus““.
Ein gutes Fazit gibt Prof. Weberling im Beitrag „Aus der Geschichte (nichts) gelernt? Die juristische Aufarbeitung des SED-Regimes und die Rehabilitierung seiner Opfer“: „Mit den Arbeiten der 2019 gestarteten, vom BMBF geförderten Forschungsverbünden zur Aufarbeitung der Lebenswirklichkeit in der DDR besteht jetzt eine weitere realistische Chance, einen nachhaltigen Beitrag zur Behebung der beschriebenen Defizite der Aufarbeitung des SED-Regimes und der Rehabilitierung seiner Opfer zu leisten. Daraus folgt die für einen Juristen vielleicht untypische Aussage: Packen wir es an! Geschichte wird gemacht!“
Die Herausgeber des Buchs „Disziplinieren und Strafen“:
Jörg Baberowski ist Professor für Geschichte Osteuropas an der Humboldt-Universität zu Berlin und Sprecher des BMBF-Forschungsverbunds »Landschaften der Verfolgung«. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Geschichte des Stalinismus, Gewaltgeschichte und Diktaturforschung.
Robert Kindler, Dr. phil., ist Osteuropahistoriker an der Humboldt-Universität zu Berlin und wissenschaftlicher Koordinator des BMBF-Forschungsverbunds »Landschaften der Verfolgung«. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte des Stalinismus sowie transimperiale Verflechtungen im 19. Jahrhundert.
Stefan Donth, Dr. phil., arbeitet in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und ist seit 2019 Stellvertretender Sprecher des Forschungsverbundes „Landschaften der Verfolgung“.
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