Online-Konferenz zu Sozialen Innovationen: neue Herangehensweisen und Lösungswege

Wie lassen sich Soziale Innovationen entwickeln und umsetzen – in multinationaler Zusammenarbeit? Dazu richtete das BMBF im November 2022 die Online-Konferenz der Trans-Atlantic Platform „Social Innovation – Learning from Multinational Collaboration“ aus: Zehn Kooperationsprojekte mit Partnern aus Nord- und Südamerika sowie Europa präsentierten erstmals ihre Lösungsansätze.

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Trans-Atlantic Platform

Die zweitägige Online-Konferenz fand im Rahmen der Trans-Atlantic-Platform (T-AP) statt, ein Zusammenschluss nord- und südamerikanischer sowie europäischer Forschungsförderer im Bereich der Sozial- und Geisteswissenschaften. Nach drei Jahren gemeinsamer Forschungsarbeit stellten zehn transatlantische Verbundprojekte vor, was internationale Kooperation bei der Erarbeitung und Umsetzung innovativer Forschungskonzepte bewirken kann. Rund 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Brasilien, Kanada, Deutschland, Finnland, Frankreich, den Niederlanden, Polen und Großbritannien nahmen an der T-AP-Konferenz teil.

Soziale Innovationen entwickeln und umsetzen

Wie leben wir zusammen und wie sind Wohlergehen und Teilhabe verteilt? Werden die Stimmen aller gehört und wie wird auf soziale Bedürfnisse reagiert? Soziale Innovationen verändern die Art und Weise, wie wir leben. Will man aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen begegnen, sind neue Wege und Erkenntnisse gefragt. Hierbei nimmt der Forschungsbereich „Soziale Innovationen“ eine tragende Rolle ein. Soziale Innovationen umfassen neue soziale Praktiken und Organisationsmodelle, um gesellschaftliche Ziele zu erreichen oder Lebensumstände und Teilhabe bestimmter Gruppen zu verbessern. Sie drehen sich um drängende Zukunftsfragen, angefangen von Inklusion und Bildung, über Stadtentwicklung, Arbeitsorganisation und Gesundheitsförderung bis hin zu Nachhaltigkeit in Konsum und Produktion oder Klimaschutz.

Die große Frage ist: Wie kommt es zu Sozialen Innovationen? Sie entstehen, wenn Akteure Bedarfe einzelner Zielgruppen oder gesamtgesellschaftliche Herausforderungen öffentlich thematisieren und tragfähige sowie nachhaltige Lösungen für bestimmte soziale Bedarfe entwickeln. Dabei spielt die Zusammenarbeit zwischen Akteuren aus verschiedenen Sektoren und Disziplinen eine tragende Rolle. Denn oftmals setzen die Lösungen an Schnittstellen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren – wie Zivilgesellschaft, öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft – an und integrieren die Expertise aus verschiedenen Bereichen und wissenschaftlichen Disziplinen. Vor diesem Hintergrund sind Soziale Innovationen ein Gegenstand sozial- und geisteswissenschaftlicher Analysen, der meist aus interdisziplinärer Perspektive bearbeitet wird. Die T-AP-Projekte gehen noch einen Schritt weiter, sie bearbeiten diese Thematik aus multinationalen Perspektiven.

Multinationale Kooperation

Im Fokus der Online-Konferenz stand die Rolle multinationaler Kooperation im Bereich Sozialer Innovationen. Sie verfolgte zwei Ziele: aus der multinationalen Zusammenarbeit zu lernen und Feedback für die Förderorganisationen zu erarbeiten. Die Verbundpartner zeigten, welche Vorzüge die transatlantische Zusammenarbeit gegenüber nationalen, europäischen oder interamerikanischen Projekten hatte und zu welchen Erkenntnissen ihr ländervergleichendes Vorgehen führte (siehe Präsentationen). Zudem sprachen sie auf der Basis ihrer Forschungsergebnisse Empfehlungen aus, die speziell auf künftige multinationale Forschung im Bereich Sozialer Innovationen ausgerichtet sind. Schließlich gilt es, Soziale Innovationen aus multinationalen Blickwinkeln zu betrachten, weiterzuentwickeln und dauerhaft in Wissenschaft und Gesellschaft zu verankern.

Eine grundlegende Erkenntnis der Konferenz ist: Soziale Innovationen sind keine nette Beigabe, sondern erfordern intensive Förderung und Aufmerksamkeit. Wichtig ist es zu verstehen, wie sich soziale Innovationen von technologischen, staatlichen Innovationen oder wirtschaftlichen Innovationen unterscheiden und was die zugrunde liegenden Anreize und Strukturen sind. Es ist höchste Zeit, sich von der Vorstellung zu lösen, dass der Staat, die Zivilgesellschaft oder der Unternehmenssektor jeweils die alleinigen Akteure sozialen Wandels sind.

Ein wirksamer Ansatz zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen ist das Konzept der „Open Social Innovation“ (OSI), wie die Organisationswissenschaftlerin Prof. Johanna Mair von der Hertie School erläuterte. OSI versteht die Lösung gesellschaftlicher Probleme als Prozess und kollektive Aufgabe. Daher setzt das Konzept bewusst auf einen offenen und partizipativen Ansatz, um Personen und Institutionen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen zusammenzubringen und einen Austausch auf Augenhöhe zu ermöglichen. Beispiele hierfür sind die deutschen Initiativen #WirVsVirus und UpdateDeutschland (siehe Open Social Innovation Learning Report).

Adaptiv und partizipativ

Aber wie kann die Zusammenarbeit auf Augenhöhe gelingen – bei so unterschiedlichen Partnern, Disziplinen, Interessen und kulturellen Kontexten? Keine leichte Aufgabe, wie die Vorstellung der T-AP-Projekte zeigte. Diese variieren in ihrem Gegenstand, ihren Zielen und auch in der Terminologie. Auch institutionelle Faktoren, wie etwa regulatorische Unterschiede zwischen Ländern und Regionen, müssen berücksichtigt werden. Grundsätzlich gilt es, so ein wesentliches Fazit der Konferenz, unterschiedliche Erwartungen einzubeziehen, Konflikte zu überwinden und Risiken zu minimieren. Auch wenn Soziale Innovationen per se inklusiv und partizipativ ausgerichtet sind, besteht durchaus das Risiko, manch einen auszuschließen. Wenn sich zum Beispiel Interessenvertreter nicht an ihre Verpflichtungen halten, verlieren sie das Vertrauen der Menschen. Deshalb spielt das Erwartungsmanagement eine große Rolle: Welche Erwartungshaltungen, Ideen und Hoffnungen gibt es bei Zielgruppen, Beteiligten oder Nutznießern? Was haben sie zu sagen, wie kann man sie einbinden? Nur wenn die unterschiedlichen Erwartungen der Menschen einbezogen werden, können Soziale Innovationen entstehen und sich verbreiten. In diesem Prozess ist Improvisation ebenso gefragt wie eine adaptive Führung. Wie letztlich die Verbreitung Sozialer Innovationen funktionieren kann, hängt davon ab, wie sie an unterschiedliche Kontexte angepasst werden.

Geht es um den gemeinsamen Mehrwert von so diversen Projekten zu sozialen Innovationen, besteht noch viel Diskussionsbedarf. Die multinationale Zusammenarbeit muss als fortlaufender Prozess anerkannt werden. Deshalb sollte, so lautet eine wichtige Empfehlung an die Fördereinrichtungen, bereits in einer frühen Phase die Möglichkeit zu Diskussion zwischen den Projekten bestehen.

Transatlantische Plattform für Geistes- und Sozialwissenschaften (T-AP)

Die T-AP ist ein Zusammenschluss von Forschungsförderorganisationen Nord- und Südamerikas sowie Europas auf dem Gebiet der Sozial- und Geisteswissenschaften. Mit derzeit rund 20 Mitgliedsorganisationen handelt es sich um eine einmalig umfangreiche transatlantische Kooperation, die in regelmäßigen Abständen gemeinsame Ausschreibungen für internationale Verbundforschung auf Forschungsgebieten mit großem Potential für internationale Zusammenarbeit veröffentlicht. Als Netzwerk von Forschungsförderern unterstützt die T-AP die transatlantische Forschungszusammenarbeit in den Sozial- und Geisteswissenschaften, indem die beteiligten Forschungsförderorganisationen, darunter das BMBF, die jeweiligen nationalen Teilprojekte der Forschungsverbünde finanzieren.


Ein paar Erkenntnisse der T-AP-Projekte:

  • Stakeholder sollten stärker als Mitwirkende betrachtet werden.
  • Die Zusammenarbeit sollte auf gemeinsame Ziele aller an einer Sozialen Innovation beteiligten Partner ausgerichtet sein.
  • Die Partner sollten ein gemeinsames Verständnis darüber sicherstellen, wo sie stehen und wohin siewollen.
  • Die Zusammenarbeit muss als fortlaufender Prozess anerkannt werden.
  • Als Forscher/innen dürfen wir uns weniger auf unsere Annahmen verlassen, und müssen mehr erkunden.

Auf der T-AP-Konferenz-Website (engl.) erfahren Sie mehr, finden das Programm mit Projektpräsentationen der geförderten T-AP-Projekte sowie Videomitschnitte der Konferenz.