22. - 23. Mai 2025 | TRAWOS-Institut der Hochschule Zittau/Görlitz in Görlitz
Vor dem Hintergrund der diagnostizierten Polykrise der Gegenwartsgesellschaften und Herausforderungen einer neuen „großen Transformation“ wird das Verhältnis von (Sozial-)Wissenschaft und Gesellschaft seit einigen Jahren neu debattiert (Maasen 2020). Die alte Weberianische Forderung einer „Werturteilsfreiheit“ scheint angesichts vielfältigster und verstärkter Anrufungen der Wissenschaft und auf Anwendungswissen und Transferpraktiken ausgerichteter Drittmittelförderprogramme längst von der Gegenwart überholt – oder aktueller denn je? In jedem Fall wird von den (Sozial-)Wissenschaften öffentlich nicht mehr nur verlangt, zu forschen, sondern die Ergebnisse breit zu kommunizieren, ja selbst soziale, technische und ökonomische Innovationen hervorzubringen, also Veränderungen anzustoßen, Wandel aktiv (mit) zu gestalten, kurz: transformativ zu wirken. Dieser transformative Anspruch wird regelmäßig mit der Aufforderung inter- und transdisziplinären Agierens und der Erwartung partizipativer Forschung verknüpft.
Die Tagung greift diese Ideen und Forderungen auf und möchte sich erkenntnis- und gesellschaftskritisch mit den Chancen, Grenzen und Risiken einer transformativen (Sozial-)Wissenschaft auseinandersetzen. Die nachfolgenden Themen und Fragen sollen auf der Tagung vor allem adressiert werden:
- Was bedeutet transformative Wissenschaft? Was zeichnet das Konzept (vgl. U. Schneidwind/M. Singer-Brodowski 2014) aus und inwiefern ist es angesichts heutiger Verhältnisse ggf. kritik- und revisionsbedürftig?
- Welche Ansprüche stellen sich in einer Zeit des forcierten sozialen Wandels an die Sozialforschung und ihre transformativen Potenziale? In welchem Zusammenhang zur Ökonomisierung und Projektverfasstheit von Wissenschaft stehen diese Ansprüche? Wie positioniert sich kritische Wissenschaft gegenüber diesen Tendenzen?
- Welche gesellschaftlichen Grenzen und Risiken transformativer Wissenschaft sind erkennbar? Wie verhält sich das Konzept zu tradierten Vorstellungen einer beratenden, aktiven, eingreifenden, revolutionären oder sozialtechnologischen (Sozial-)Wissenschaft?
- Welche historischen Erfahrungen können in die Diskussion der Theorie und Praxis einer transformativen Wissenschaft eingebracht werden?
- Welche konkreten Schwierigkeiten ergeben sich in der praktischen Umsetzung transformativer Forschung? Mit welchen (konfligierenden) Erwartungen sehen sich Forschende konfrontiert? Welche konkreten Prozesse, Verfahren und Techniken sind bisher elaboriert und angewandt worden? Welche (ggf. konzeptkritischen) Ergebnisse wurden dabei erzielt? Welche ethischen Überlegungen sollten hierbei beachtet werden?
- In welchem Verhältnis stehen technisch-technologische, technisch-ökonomische und soziale Innovationen im Kontext transformativer Wissenschaft? Braucht es generell eine stärkere Verknüpfung der technischen, ökonomischen und sozialen Dimensionen in Projekten einer transformativen Wissenschaft?
- Wie kann transformative Wissenschaft vor Ort ausgelöst, befördert und gestaltet werden?
- Wie geht man angemessen mit den Herausforderungen der Interdisziplinarität, vor allem aber: Transdisziplinarität um? In welchem Verhältnis stehen transformative Wissenschaft und regionaler Strukturwandel?
- Gibt es Besonderheiten transformativer Wissenschaftspraxis in peripheren sozialen Räumen?
- Was bedeuten diese für die Inhalte und Organisationsweisen transformativer Wissenschaft?
Die Tagung wird gemeinsam von den beiden am TRAWOS-Institut der Hochschule Zittau/Görlitz verorteten Forschungsverbundprojekten „ATRAKTIV - Aufbau Transformativer Kapazitäten zur Aktivierung regionaler Innovationssysteme“ und „BePart – Beteiligung und Partnerschaften im Strukturwandel“ organisiert. Beide Projekte werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderlinie „REGION.innovativ. Regionale Faktoren für Innovation und Wandel erforschen – Gesellschaftliche Innovationsfähigkeit stärken“ gefördert und beschäftigen sich mit verschiedenen Fragen rund um Soziale Innovationen und Regionalentwicklung.
Organisator*innen: Dr. Franz Erhard; Prof. Nadine Jukschat; Prof. Raj Kollmorgen; Susanne Lerche, MA.; Leonie Liemich, MA.
Abstracts (max. 2.400 Zeichen inkl. Leerzeichen) zu den Tagungsbeiträgen werden bis zum 7.12.2024
erbeten an: bepart@hszg.de