GSW kommunizieren: Wie Forschung bei Zielgruppen ankommt

Wissenschaftliche Erkenntnisse sind komplex – und sie betreffen uns alle. Wer Forschung verständlich vermittelt, kann Wissen teilen, Debatten bereichern und Veränderungen anstoßen. Wie es gelingt, die relevanten Zielgruppen zu erreichen?

Die Peer-Learning-Workshop-Reihe „GSW kommunizieren“ des BMBF verfolgt das Ziel, Forschende aus den geförderten geistes- und sozialwissenschaftlichen Projekten zusammenzubringen und ihnen eine Plattform zum Austausch von Erfahrungen und zum gegenseitigen Lernen zu bieten – und sich über die Förderlinien hinweg zu vernetzen. In der sechsten Ausgabe der Workshopreihe tauschten sich die Teilnehmenden zum Thema „Zielgruppen“ aus.“ Praxistipps aus dem Workshop, unter anderem zur Arbeit mit der Zielgruppe „Politik“, haben wir in diesem Beitrag für Sie zusammengetragen. 

Wissenschaftskommunikation ist das Werkzeug schlechthin, um Forschung sichtbar zu machen und gesellschaftliche Entwicklungen mitzugestalten. Dabei kommt es vor allem auf eines an: zielgruppengerechte Ansprache. Das bedeutet zunächst einmal, Inhalte so aufzubereiten, dass sie von genau den Menschen verstanden und aufgenommen werden, die erreicht werden sollen.

Zielgruppen definieren und erreichen

Jens Notroff

Jens Notroff hat Archäologie, Geschichte und Kommunikationswissenschaften in Berlin studiert und sich im Rahmen verschiedener archäologischer Forschungsprojekte unter anderem mit der Repräsentation von Macht und Status in prähistorischen Gesellschaften auseinandergesetzt. Als Wissenschaftskommunikator engagiert er sich aktiv in der Visualisierung und öffentlichen Vermittlung aktueller Forschungsergebnisse.

NaWik

Aber wie gelingt es, die eigene Forschung verständlich und passend zur gewünschten Zielgruppe zu vermitteln? Jens Notroff, Wissenschaftskommunikator vom Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik), stellte Netzwerke, Tools und Ressourcen für eine Zielgruppen- gerechte Wissenschaftskommunikation vor. Er erläuterte, wie etwa das aktuelle Wissenschaftsbarometer, die Sinus-Milieus oder die Persona-Methode dabei helfen, Zielgruppen zu definieren. Nur wenn man auf die jeweiligen Zielgruppen zugeht, auf deren vorhandenes Wissen aufbaut und deren Erfahrungen, Interessen, Wünsche und Erwartungen berücksichtigt, kann man sie erreichen (siehe Präsentation). Wer zudem Kommunikation mit Zielgruppen als dynamischen Prozess versteht und regelmäßig Rückmeldungen einholt, kann Schwächen erkennen und bei Bedarf nachjustieren. All das braucht natürlich Zeit und Knowhow.

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es Sinn macht, gleich mehrere Zielgruppen über die Persona-Methode in den Blick zu nehmen und davon auszugehen, dass im Projektverlauf Kommunikationsstrategien oder Formate immer wieder angepasst werden müssen. So sind etwa bei Stadtspaziergängen als Format des Wissenstransfers gleich mehrere Zielgruppen vor Ort, das heißt, man muss also genau hinschauen, mit wem man gerade kommuniziert und Wissen in eine Sprache übersetzen, die verstanden wird. Bei allen praxisnahen Tipps bleibt jedoch eine Herausforderung: den widersprüchlichen Anforderungen – etwa Verständlichkeit versus fachliche Präzision oder Öffentlichkeitsarbeit versus wissenschaftliche Publikationen  – Stand zu halten.

Wissenstransfer in die Politik

Prof. Dr. Julian Junk

Prof. Dr. Julian Junk Professor für Extremismusforschung an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit, leitet die Forschungsgruppe Radikalisierung am Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF) sowie BMBF-geförderte Projekte im Bereich der Extemismusforschung.

PRIF

Wissenschaftskommunikation ist immer Dialog – auch in der Politik. Profunde Einblicke in den Wissenstransfer in die Politik und die damit verbundenen Dilemmata gab der Extremismusforscher Prof. Dr. Julian Junk in seiner Präsentation ebenso wie in der anschließenden Diskussionsrunde. Der Kontakt zur Politik mag zunächst eine Herausforderung sein, lässt sich aber mit den richtigen Strategien gestalten. Es beginnt damit, die relevanten Kontakte zu finden, erstmal auf kommunaler Ebene, und diejenigen zu identifizieren, die sich mit Themen befassen, die der eigenen Forschung entsprechen. Verbündete können beim Aufbau von Kontakten oder der Vernetzung helfen, zum Beispiel politische Stiftungen oder übergeordnete Forschungseinrichtungen.

Anders als in der Wissenschaft agiert die Politik oft unter Zeitdruck und muss pragmatische Lösungen finden. Für den Dialog mit der Politik ist es entscheidend, diese Unterschiede zu berücksichtigen. Politische Akteurinnen und Akteure erwarten kompakte, verständliche Informationen, die praktische Lösungsansätze oder auch mögliche Handlungsempfehlungen bieten.

Wichtig ist auch hier, im dialogischen Format zu eruieren, wer im politischen Raum welche Bedarfe hat, wo die Entscheidungsträger stehen und welche Informationen für sie relevant sind. Auch eine kurze, lösungsorientierte E-Mail oder ein kompakter Policy Brief, der die Relevanz der eigenen Arbeit für politische Prozesse aufzeigt, kann den Dialog erleichtern.

Transparenz und Glaubwürdigkeit

Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik basiert auf Transparenz und Glaubwürdigkeit. Kontakte zur Politik sind dabei ebenso wichtig wie die Betonung der eigenen Unabhängigkeit. Ein wichtiges Fazit der Diskussion: Gerade weil man aus der Wissenschaft kommt, darf man bei sich bleiben. Es geht darum, das was man weiß, in eine verständliche Sprache zu übersetzen und sich nicht von den (vielleicht auch vermeintlichen) Anforderungen aus der Politik verunsichern zu lassen. Auch das, was man nicht weiß oder als Risiko einschätzt, sollte mit kommuniziert werden, da Verschleierungen von Risiken auch zu Problemen führen können. Forschende sollten zudem Geduld mitbringen – politische Prozesse sind oft langwierig, und es kann dauern, bis wissenschaftliche Erkenntnisse ankommen und umgesetzt werden.

Workshops, Hintergrundgespräche oder Podiumsdiskussionen mit Akteurinnen und Akteuren unterschiedlicher Bereiche erleichtern den Transfer von wissenschaftlichem Wissen in politische Entscheidungsprozesse. Diese interaktiven Formate ermöglichen es, wissenschaftliche Inhalte in einem praxisnahen Kontext zu vermitteln und eine Diskussion zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zu eröffnen und mögliche Lösungen gemeinsam zu erarbeiten.

Ob für die Politik oder die Öffentlichkeit: Wer seine Inhalte klar, verständlich und zielgerichtet präsentiert, trägt dazu bei, dass Forschung sichtbar wird und einen konkreten Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen leistet. Zu guter Letzt noch eine positive Nachricht: Auch wenn wissenschaftliche Publikationen für die Karriere relevant sind – der Markt für Fachpersonal für Wissenschaftskommunikation wächst.

Ausgewählte Praxistipps

Zielgruppen definieren – leicht gemacht

  • Ziel konkretisieren: Klären, welches Ziel die Kommunikation verfolgt. Geht es um Information, Dialog oder konkrete Handlungsempfehlungen? Das Ziel hilft, die passende Zielgruppe zu identifizieren.
  • Personas erstellen: Eine oder besser noch mehrere repräsentative fiktive Personen entwickeln, die die Zielgruppe symbolisiert. Alter, Beruf, Interessen und Wissensstand konkretisieren, um Inhalte gezielt zu gestalten.
  • Auch Sinus Milieus können beim Identifizieren von Zielgruppen helfen.
  • Bestehende Netzwerke nutzen: Informationen aus bisherigen Projekten, Veranstaltungen oder Interaktionen analysieren, um typische Eigenschaften der Zielgruppe zu erkennen.
  • Kanäle analysieren: Prüfen, wann und wo die Zielgruppe aktiv ist – in sozialen Medien, auf Fachplattformen oder bei öffentlichen Veranstaltungen. Die bevorzugten Kanäle geben wichtige Hinweise.
  • Feedback einholen: Direkten Austausch suchen, etwa durch Umfragen oder Interviews. Zielgruppen wissen oft selbst am besten, wie sie angesprochen werden möchten.
  • WissKomm-Angebote und Workshops nutzen

Kontakte zur Politik anbahnen

  • Ansprechpersonen identifizieren: Relevante Personen recherchieren, die sich mit dem eigenen Forschungsthema befassen.
  • Netzwerke nutzen: Projektträger, Fachgesellschaften, Stiftungen oder Organisationen ansprechen, um über diese in Kontakt mit politischen Akteurinnen und Akteuren zu treten.
  • Veranstaltungen besuchen: Politische Events oder Diskussionsrunden sind gute Gelegenheiten, um Kontakte zu knüpfen.
  • Proaktiv kommunizieren: Eigene Forschungsergebnisse gezielt anbieten, etwa über kurze E-Mails oder Briefe mit klar formulierten Kernbotschaften und einer Einladung zum Dialog.
  • Multiplikatoren einbeziehen: Journalisten, Verbände oder Thinktanks können als Brücke zwischen Wissenschaft und Politik dienen.

So gelingt die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Politik

  • Kernaussagen priorisieren: Ergebnisse auf die wesentlichen Erkenntnisse reduzieren und diese prägnant formulieren. Entscheidungsträgerinnen und -träger haben oft wenig Zeit.
  • Lösungsorientiert argumentieren: Neben der Problemstellung mögliche Handlungsempfehlungen oder Lösungsszenarien anbieten.
  • Sprache anpassen: Fachbegriffe vermeiden und komplexe Zusammenhänge mit klaren, verständlichen Worten erklären.
  • Politischen Kontext berücksichtigen: Themen an aktuelle politische Debatten oder Prioritäten anknüpfen, um Relevanz zu schaffen.
  • Zusammenarbeiten: Den Austausch mit politischen Akteurinnen und Akteuren aktiv suchen, etwa durch Workshops, Dialogveranstaltungen oder persönliche Gespräche.
  • Unabhängigkeit betonen: Klarmachen, dass wissenschaftliche Aussagen unabhängig von politischen oder wirtschaftlichen Interessen sind.
  • Geduld mitbringen: Politische Prozesse sind oft langwierig und komplex. Es braucht Ausdauer, bis wissenschaftliche Erkenntnisse umgesetzt werden.

Transfer in die Politik – Formate, die sich bewähren

  • Policy Briefs: Kurze, prägnante Berichte, die Forschungsergebnisse und/oder Handlungsempfehlungen kompakt zusammenfassen. Langversion bereithalten.
  • Expertengespräche: Direkte Dialoge mit Politikerinnen und Politikern oder deren Beraterkreisen ermöglichen den Austausch und klären Fragen zu relevanten Themen.
  • Öffentliche Workshops und interaktive Formate, die politische Herausforderungen thematisieren und Handlungsmöglichkeiten erarbeiten.
  • Die Kür: Parlamentarische Abende: Veranstaltungen, bei denen Forschende ihre Erkenntnisse präsentieren und persönliche Kontakte mit Abgeordneten knüpfen können.

Noch etwas vergessen oder eine gute Idee? Über Anregungen freuen wir uns. Schicken Sie uns doch Ihre Ideen per E-Mail auf GSW@dlr.de. Vielen Dank!