Die geschlossene Sitzung der Parteigruppe der Deutschen Sektion des Sowjetischen Schriftstellerverbands im September 1936 setzte ein Fanal: An vier quälend langen Abenden ging es um Verbrechen und Schuld, mangelnde Wachsamkeit und die Lehren, die aus dem Moskauer Schauprozess gegen die »trotzkistischen Banditen« zu ziehen seien. Die im Band Tribunale als Trauma erstmals veröffentlichten Dokumente aus den Jahren 1935 bis 1941 erhellen ein dramatisches Geschehen, das in jenem Herbst nicht erst begann und auch nicht endete. In der Enklave der Exilautoren wendet sich der allgegenwärtige Terror nach innen. Auf engstem Raum belauert man sich gegenseitig und ringt um politische Akzeptanz und das persönliche Überleben. Die Dokumente lassen sich als Chronik einer inneren Zerrüttung lesen, die einerseits Mythen über das Literaturexil in der stalinistischen Sowjetunion aufbricht, andererseits das Schweigen der Akteure – darunter Johannes R. Becher, Willi Bredel, Georg Lukács, Herbert Wehner und Friedrich Wolf – in der Nachkriegszeit erklärt. Diese erstmals veröffentlichten Moskauer Archivfunde eröffnen eine neue Perspektive auf die Geschichte des deutschsprachigen Literaturexils in der Sowjetunion. Anne Hartmann ist Slawistin und Germanistin. Nach der Promotion lehrte sie an Hochschulen in Liège und Namur. Seit 1988 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr-Universität Bochum, zuletzt in dem Forschungsprojekt "Nach Moskau. Deutsche Emigranten im sowjetischen Exil und im Kulturbetrieb der DDR". Reinhard Müller studierte Germanistik und Geschichte in München, Regensburg und Hamburg. Von 1978 bis 1989 war er Mitarbeiter der Thälmann-Gedenkstätte in Hamburg, von 1991 bis 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung und von 2010 bis 2012 bei der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Patrick Eiden-Offe ist Germanist und arbeitet am ZfL auf einer Heisenberg-Stelle an dem Projekt Georg Lukács: eine intellektuelle Biographie. |