Internationales Forschungskolleg „Verflechtungen von Theaterkulturen“ an der Freien Universität Berlin – Interview mit der Direktorin Prof. Dr. Dr. h.c. Erika Fischer-Lichte
Das Internationale Forschungskolleg war eins der ersten Käte Hamburger Kollegs in Deutschland und erforscht seit 2008 nichts Geringeres als Theater aller Kulturen und aller Zeiten - genauer gesagt, die Verflechtungen von Theaterkulturen in ganz unterschiedlichen Ländern und Regionen der Welt: Auf welche Weise begegnen sich im Theater Menschen, Traditionen und Kulturen? Wie interagieren sie?
Fellows aus allen fünf Kontinenten und mehr als 35 Ländern haben sich beim Käte Hamburger Kolleg "Verflechtungen von Theaterkulturen" eingebracht. Neben Theaterwissenschaft und Performance Studies sind auch Ethnologie und unterschiedliche Regionalwissenschaften vertreten. Durch die Arbeit des Kollegs wurde ein völlig neues Forschungsfeld etabliert.
Mit der Direktorin Erika Fischer-Lichte, Institut für Theaterwissenschaft, sprachen wir über ihre Erfahrungen:
Frau Professorin Fischer-Lichte, wie ist es für Sie, im Käte Hamburger Kolleg zu arbeiten?
Die Möglichkeit, jeden Tag Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedensten Weltgegenden treffen und mit ihnen eine Fülle faszinierender und bisher kaum bearbeiteter Fragen und Probleme diskutieren zu können, ist wohl kaum in einer anderen Institution gegeben. Ohne sie wäre ich sicher auf manche aufregende neue Idee nicht verfallen, die u.a. zu ganz neuartigen Publikationsvorhaben – darunter unser „Handbook of Performance-Related Concepts in Non-European Languages“ – geführt haben. In ihm werden jeweils zehn aufführungsbezogene Begriffe aus sechs nicht-europäischen Sprachen in ihrer historischen und heutigen Bedeutung und Verwendung erläutert, die zusammen ein je besonderes epistemisches System bilden – eine fundamentale Bedingung für jegliche Forschung über unterschiedliche Theaterkulturen, die bisher jedoch nicht berücksichtigt wurde.
Was unterscheidet Forschung im Kolleg von anderen Förderformaten? Gibt es hier Möglichkeiten, die Sie an anderer Stelle nicht hatten?
Ich habe DFG-Forschergruppen, Sonderforschungsbereiche, Schwerpunktprogramme geleitet, die alle zu faszinierenden neuen Einsichten geführt und neue Paradigmen der Forschung entwickelt haben. Von ihnen unterscheiden sich die Käte Hamburger Kollegs vor allem dadurch, dass in ihnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den verschiedensten Ländern für ein Jahr an einem gemeinsamen Thema arbeiten. In die Publikationen, die aus diesen Forschungen hervorgingen, sind die Ergebnisse der Diskussionen, die in der nicht nur einmal wöchentlich anberaumten gemeinsamen Arbeitssitzung, sondern ebenso beim zufälligen Treffen am Kaffeeautomaten geführt wurden, in höchst unterschiedlicher, aber immer produktiver Weise eingeflossen. Eine solche Art der Wissensproduktion durch einen über einen längeren Zeitraum geführten Dialog zwischen Wissenschaftler/innen verschiedenster Kulturen ist in keinem anderen Format möglich.
Wie gestalten Sie konkret den Transfer in die Praxis?
Ein Transfer unserer Forschungen und ihrer Ergebnisse fand in ganz unterschiedlichen Formaten statt. Dazu gehörte die einmal wöchentlich stattfindende Teatime. Zu dieser wurden Gäste aus dem lokalen und internationalen Kulturbereich eingeladen – Künstler ebenso wie Verwalter, die den Fellows ihre Arbeit vorstellten und mit ihnen ausgiebige Gespräche führten. Einen weiteren Transferbereich bildeten die Konferenzen, die wir in Berlin, Adishakti (Indien), Shanghai (China) und Tanger (Marokko) abhielten. Eine besondere Rolle spielten dabei die jährlich in Tanger unter dem Titel „Performing Tangier“ stattfindenden Konferenzen sowie der regelmäßige Austausch mit der Shanghai Theatre Academy.
Ein besonders wichtiges Format des Transfers stellt die kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Berliner Theatern und anderen Kulturinstitutionen – wie dem Haus der Kulturen der Welt, dem Brecht-Haus u.a. – dar. Die diesjährigen „Brecht-Tage 2021“ zum Beispiel sind in enger Kooperation mit dem Kolleg konzipiert und organisiert worden.
Ein ganz anderes Format bildeten die Internet-Interviews mit unseren Fellows oder auch die Vorlesungsreihe unseres ehemaligen Fellows Rustom Bharucha. Beide sind auf unserer Webseite abrufbar.
An den wissenschaftlichen Nachwuchs richteten sich die Seminare, die wir in Berlin für Studierende aus Singapur, Shanghai und Tanger abgehalten haben. Es war uns ganz besonders wichtig, die Studierenden einzubeziehen. Deswegen haben wir es auch begrüßt, wenn neue Fellows vor den Studierenden des theaterwissenschaftlichen Instituts Vorträge oder Kurz-Seminare abhielten.
Wie geht es für Sie nach dem Käte Hamburger Kolleg weiter? Und wie mit dem Kolleg?
In dem von Matthias Warstat geleiteten Arbeitsbereich 2 („Travelling Matters“) des Exzellenzclusters Temporal Communities findet die Arbeitsweise des Kollegs eine Fortsetzung, indem intensiv mit internationalen Research Fellows zusammengearbeitet wird.
Die bestehende textures platform wird zu einem umfassenden digitalen Archiv des Käte Hamburger Kolleg ausgebaut, das dauerhaft vom Medienlabor des Instituts für Theaterwissenschaft gepflegt wird.
Ich selbst werde endlich wieder ein Buch in deutscher Sprache schreiben.
Um diese Website bestmöglich an Ihrem Bedarf auszurichten, nutzen wir Cookies und den Webanalysedienst Matomo, der uns zeigt, welche Seiten besonders oft besucht werden. Ihr Besuch wird von der Webanalyse derzeit nicht erfasst. Sie können uns aber helfen, indem Sie hier entscheiden, dass Ihr Besuch auf unseren Seiten anonymisiert mitgezählt werden darf. Die Webanalyse verbessert unsere Möglichkeiten, unseren Internetauftritt im Sinne unserer Nutzerinnen und Nutzer weiter zu optimieren. Es werden keine Daten an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.