Der Zusammenhalt Europas gilt als zwingende Voraussetzung für Wohlstand, Sicherheit und Zukunftsfähigkeit des Kontinents. Aber er ist brüchig, insbesondere dann, wenn es darum geht, Risiken, Belastungen oder gar Krisen gemeinschaftlich zu tragen. Und das wirft große Fragen auf, angefangen zum Zusammenwirken in den Bereichen Sicherheits- und Bündnis- sowie Wirtschafts-, Handels- und Industriepolitik, zu Zusammenhalt und Solidarität sowie zu Demokratie und politische Legitimation bis hin zu systemischen, sozialen und kulturellen Integrationsprozessen innerhalb der Europäischen Union. Mehr als ein guter Grund, intensiv an Lösungen zu forschen.
19 Projekte der BMBF-Förderlinie „Zusammenhalt in Europa“
Bereits seit 2019 stehen diese Fragen im Zentrum der BMBF-Förderlinie Zusammenhalt in Europa. 12 Millionen Euro hat das BMBF dafür bereitgestellt. 19 Einzel- und Verbundvorhaben aus den Geistes- und Sozialwissenschaften untersuchen den Zusammenhalt in der Europäischen Union (EU) – verstanden als belastbares und verlässliches Interaktionsverhältnis zwischen ihren Mitgliedsstaaten sowie ihren Bürgerinnen und Bürgern – aus interdisziplinärer Perspektive. In der dreijährigen Laufzeit arbeiten die BMBF-Projekte daran, ein besseres Verständnis für die Grundlagen des Zusammenhalts in Europa zu entwickeln und Lösungsansätze zu seiner Stärkung zu finden.
Einblicke in die Forschung
Wie steht es also um den Zusammenhalt in Europa? Was macht Zusammenhalt überhaupt aus? Lässt er sich stärken und wenn ja, wie? Die Geistes- und Sozialwissenschaften liefern hierzu einen entscheidenden Beitrag, wie das GSW-Special „Zusammenhalt in Europa“ exemplarisch zeigt. In den kommenden Monaten geben verschiedene BMBF-Verbundprojekte Einblicke in ihre Forschung.
Über Sicherheit als neues Leitnarrativ der EU forscht das BMBF-Verbundprojekt „ZUSE– Zusammenhalt durch Sicherheit“. Mehr dazu erfahren Sie im Interview mit ZUSE-Projektkoordinator Dr. Hendrik Hegemann vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) an der Universität Hamburg.
Wie es um das transnationale soziale Vertrauen und Misstrauen untereinander bestellt ist, untersucht das BMBF-Verbundprojekt SoVE von der Universität Siegen zusammen mit dem Praxispartner European Alternatives. Hier geht’s zum Interview mit Professor Dr. Christian Lahusen, Professor für Vergleichende Kultursoziologie und Politische Soziologie Europas an der Universität Siegen.
Wie wird Zusammenhalt in der EU wahrgenommen und wie kann er unter den Bedingungen hoher politisch-institutioneller Heterogenität gestärkt werden? Diese Fragen klärt das Verbundprojekt „PerzepEU –Wahrnehmung und Handlungsfelder“ und untersucht die Bestimmungsfaktoren für die Wahrnehmung des Zusammenhalts in Europa. Dabei wird die Rolle nationaler Wohlfahrtsstaaten ebenso berücksichtigt wie die Möglichkeiten verschiedener Transfermechanismen, um den Zusammenhalt zu fördern, wie das Interview mit Prof. Dr. Anke Hassel von der Hertie School verdeutlicht.
Wie belastbar der europäische Zusammenhalt ist, zeigt sich besonders an den europäischen Binnengrenzen. Mit dem BMBF-Verbundprojekt „CoBo - Territorialer Zusammenhalt in Deutschlands Grenzregionen“ untersucht die Universität Erlangen-Nürnberg zusammen mit Praxispartnern die Organisation des Zusammenhaltes in Grenzregionen und lotet die hier bestehenden Potenziale aus. Mehr dazu erfahren Sie hier im Interview mit CoBo-Projektkoordinator Prof. Dr. Tobias Chilla.
Starke Impulse
So unterschiedlich die Projekte der Förderlinie Zusammenhalt in Europa auch sein mögen, sie verfolgen ein gemeinsames Ziel: Sie geben Impulse für die gesellschaftlichen Diskurse, greifen aktuelle Problemstellungen und Handlungsbedarfe auf und erarbeiten zusammen mit Praxispartnern Lösungsansätze für die Politik.
Die behandelten Themen der 19 Projekte reichen, wie die Broschüre zeigt, von Fußball und Religion als Grundlage des Zusammenhalts über die Rolle Jugendlicher im Spannungsfeld zwischen Zusammenhalt und Polarisierung bis hin zu Fragen nach der europäischen und nationalen Identifikation für gelebte Solidarität in Europa. Reinschauen lohnt sich.
- Kulturelle Grundlagen von Zusammenhalt
- Organisation von Zusammenhalt
- Wahrnehmung und Vermittlung von Zusammenhalt
- Äußere Einflüsse und Zusammenhalt
- Methodische Zugänge
Am 20. Mai 2022 fand im „Humboldt-Carré“ in Berlin die Statustagung der Förderlinie Zusammenhalt in Europa statt. Der Fokus der Veranstaltung lag auf Austausch und Vernetzung: 19 Forschungsprojekte stellten ihre Inhalte vor und diskutierten ihre Zwischenergebnisse in drei Clustern („Europäische Solidarität“, „Grenzregionen und grenzüberschreitender Zusammenhalt“ sowie „Herausforderungen des europäischen Zusammenhalts“).
Am 12. November 2020 fand im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die virtuelle Auftaktveranstaltung der Förderlinie statt, mit der internationalen Online-Konferenz Sticking together in tough times?. Ziel dieser Veranstaltung war ein gegenseitiges Kennenlernen der Projekte und eine Diskussion der unterschiedlichen Problemzugänge und Forschungsfragen. Neben Vertreter/-innen der geförderten Projekte und des BMBF nahmen auch internationale Partner der Projekte teil.