Special: „Globale Herausforderungen“

Kriege, Pandemien, Ressourcenknappheit und der Klimawandel mit seinen Folgen – all das führt weltweit zu Problemen, die eng miteinander verbunden sind. Dieses Special zeigt, welches Potenzial in den Geistes- und Sozialwissenschaften steckt, um globale Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und Lösungsstrategien zu erarbeiten.

gemalte Weltkugel auf grünem Hintergrund, Personen mit Stiften in den Händen

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Versorgungsengpässe bei Lebensmitteln und Energie, explodierende Preise und steigende Schulden - in seinem aktuellen Bericht zu globalen Risiken prognostiziert das Weltwirtschaftsforum (WEF) ein „unsicheres und turbulentes Jahrzehnt“. Und das ist noch vergleichsweise milde ausgedrückt: der Verlust der biologischen Vielfalt und der Zusammenbruch von Ökosystemen wird als eines der größten globalen Risiken für die nächsten zehn Jahre angesehen.

Forschung zu gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen

Mit der „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ reagiert die Bundesregierung auf die großen gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen unserer Zeit: Klimawandel, Biodiversitätskrise, Umweltverschmutzung, Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung.

Auch das aktuelle BMBF-Rahmenprogramm „Gesellschaft verstehen – Zukunft gestalten“ (2019-2025)“ für die Geistes- und Sozialwissenschaften fördert Forschung zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen, sowohl aus nationaler als auch aus internationaler Perspektive. Die Internationalisierung in den Geistes- und Sozialwissenschaften, die in die Strategie der Bundesregierung zur Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung eingebunden ist, zielt darauf ab, die fachliche Kompetenz über Regionen der Welt zu stärken und die Forschungskooperationen über Ländergrenzen hinaus zu fördern.

In den kommenden Monaten geben Projekte aus unterschiedlichen BMBF-Förderlinien des Rahmenprogramms für Geistes- und Sozialwissenschaften Einblicke in ihre Forschung zu globalen Herausforderungen. Sie beleuchten am konkreten Themenbereich Nachhaltigkeit, wie dank internationaler Forschungszusammenarbeit Orientierungswissen und Lösungswege erarbeitet werden. Verbindende Grundlage sind hierbei Kooperation auf Augenhöhe und der Fokus auf Probleme, die auf nationalstaatlicher Ebene allein nicht gelöst werden können. Denn: Globale Herausforderungen erfordern internationale, vergleichende und fachübergreifende Forschungsperspektiven.

Weltweite Zusammenarbeit

Mit den großen Förderlinien "Merian Centres" und "Käte Hamburger Kollegs" unterstützt das BMBF die Zusammenarbeit von Forschenden aus verschiedenen Weltregionen zu geistes- und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen von globaler Relevanz.

So untersucht zum Beispiel das Heidelberger Käte Hamburger Kolleg „Apokalyptische und Postapokalyptische Studien zusammen mit Fellows aus aller Welt Systemwandel und -Zusammenbrüche sowie Zukunftsentwürfe für die Zeit nach Kollapsen aus geistes- und naturwissenschaftlicher Perspektive. Auch das 2009 als Käte Hamburger Kolleg gegründete Rachel Carson Center for Environment and Society (RCC)“ in München betrachtet Umweltfragen aus geisteswissenschaftlicher Perspektive.

Die Merian Centres, die in verschiedenen Weltregionen angesiedelt sind, ermöglichen als langjähriges Förderformat Forschung in transnationalen Arbeitszusammenhängen. Ein Beispiel dafür ist das Maria Sibylla Merian Centre for Advanced Latin American Studies in the Humanities and Social Sciences (CALAS) in Mexiko, an dem vier deutsche und vier lateinamerikanische Universitäten beteiligt sind. Erforscht werden dort kulturelle und politische Strategien zur „Krisenbewältigung“ („Coping with Crises“) in Lateinamerika, wobei auch umweltbedingte Krisen betrachtet werden.

Karte: Projekte zu gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen

Worldmap Spanien Wie können wir Lebensmittel sozial gerecht und umwelt- freundlich herstellen? Als Umwelthistoriker sehe ich es als entscheidend an, dass wir uns mit den positiven und nega- tiven Erfahrungen vergangener Jahrzehnte auseinander- setzen. Am Beispiel Südspaniens untersuche ich daher, wie Menschen ökologische Produktionsweisen entwickelt haben und welche Lehren daraus zu ziehen sind. Wie unter einem Brennglas werden in dieser Region soziale und ökologische Fragen bei der Lebensmittelproduk- tion sichtbar, die aufschlussreich sind, um nachhaltige Ernährungssysteme zu entwickeln. Andreas Jünger | Doktorand Rachel Carson Center (LMU) Deutschland Im COVCLIM Projekt untersuchen wir die CO2-Bepreisung in verschiedenen Länder- kontexten. Kohlendioxid als einer der hauptsächlichen Treiber des Klimawandels wird nach wie vor ausgestoßen, ohne dass der Verschmutzer die vollen Kosten übernehmen muss. Dadurch werden wirtschaftliche Aktivitäten in die falschen Bahnen gelenkt (…) Im weiteren Verlauf des Projekts werden wir uns auf zwei Fallstudien konzentrieren. In einem Land des globalen Südens werden wir untersuchen, welche Politikgestaltungen die Akzeptanz von Kohlenstoffbepreisung fördern können. Das zweite Fallstudienland wird Deutschland sein, auch hier möchten wir Informationen über die Umsetzung von Kohlenstoffpreisen sammeln. Dr. Anna Pegels | Wissen. Mitarbeiterin COVCLIM (IDOS) Algerien An was denken wir, wenn wir von Venezuela oder Algerien hören? An Erdöl. Für beide Länder ist der Ölexport prägend. Die Wissen- schaft beschreibt eine solche Konstellation mit Begriffen wie Ölstaat oder Petro-Ökonomie. Uns greift das zu kurz. Wir sehen, dass Öl- oder genereller – eine intensive Rohstoffausbeutung – alles durch- dringt: Nicht nur den Staat, die Politik und die Wirtschaft. Sondern auch die Gesellschaft, Kultur und sogar menschliches Handeln. Dr. Hannes Warnecke-Berger | Projektkoordinator EXTRACTIVISM Japan Die Umweltschäden, die durch unseren Müll entstehen oder ver- schärft werden, sind mittlerweile allgemein bekannt. Aber wir lö- sen das globale Müllproblem nicht allein, indem wir im Haushalt Abfall trennen und mit unserem Jutebeutel einkaufen gehen. Ich will mit meiner Forschung zu Zero-Waste-Initiativen in Japan und Deutschland dazu beitragen realistische Wege zu finden, vor Ort die Menge der anfallenden Abfälle deutlich zu verringern und mit dem Müll, den wir nicht vermeiden können, verantwortungsvoll umzugehen.Regina Bichler | Doktorandin Rachel Carson Center (LMU) Indien In meiner Forschung am CAPAS gehe ich der Frage nach, wel- chen Beitrag buddhistische Denkansätze zur Lösung der Klima- krise beisteuern können. Dabei berücksichtige ich auch öko- buddhistische Bewegungen der Gegenwart wie Extinction Rebel- lion Buddhists oder OneEarth Sangha. Zudem bereitet unser Team am CAPAS eine transdisziplinäre Konferenz in Neu Delhi vor, die ein zentrales Thema der Zukunft – Wassernöte in Zeiten des Klima- wandels–, multiperspektivisch in den Fokus rückt. Dr. Rolf Scheuermann | Wissenschaftliche Koordination und Veranstaltungsorganisation CAPAS Thailand Braucht die Welt mehr Nahrung oder eine veränderte Agrar- ökologie? Kann sich die Lebensmittelproduktion von chemiein- tensiven Monokulturen loslösen, indem sie ihr Augenmerk auf die ökologischen Beziehungen zwischen Boden, Mensch und Erde bezieht? Meine Doktorarbeit folgt der Arbeit von Land- wirten und staatlichen Wissenschaftlern in Thailand. Dort gibt es, wo der Übergang zu agro-ökologischen Formen der Bewirtschaftung Unter-, stützung erfährt, Anzeichen für Hoffnung. Wichtig ist es materielle Dinge und Lebewesen zusammenzudenken und neue Narrative zu entwickeln. Huiying Ng | Doktorandin Rachel Carson Center (LMU) Liberia Meine Forschung untersucht, wie Plantagen- und Bergbaukonzessionen in Liberia die Waldregion Oberguineas veränderten, neue Krankheitsmuster und Belastungen schufen und Interventionen im Bereich der öffentlichen Gesundheit prägten. Arbeitsmigration und Umweltzerstörung veränderten die Interaktionen zwischen Menschen und Tieren und trugen dazu bei, dass sich Krankheiten wie Malaria, Schlafkrankheit oder Onchozerkose (Fluss- blindheit) ausbreiten konnten. Durch die Erforschung der historischen Zusammenhänge zwischen Umweltveränderungen und neu auftretenden Infektionskrankheiten werde ich zur Bewältigung globaler Gesundheitsherausforderungen beitragen. John Fayiah | Doktorand Rachel Carson Center (LMU) Meine Forschung über die sich verändernden Wahrnehmungen und Beur- teilungen der Wälder in Liberia zielt darauf ab, Erkenntnisse zu liefern, die zur Bewältigung von Armut und Verlust der biologischen Vielfalt beitragen, denn diese gehören zu den größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Die Umsetzung nachhaltiger Waldbewirtschaftungspraktiken, die ökolo- gische, wirtschaftliche und soziokulturelle Aspekte miteinander in Einklang bringen, kann zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen. Darüber hinaus kann eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Wälder Liberias, der Kohlenstoffsenken und der größten Wälder Westafrikas, dazu beitragen, den Klimawandel abzumildern, der seinerseits die Wohlstandsungleichheit und das Artensterben verschärft. Shadrach Kerwillain | Doktorand Rachel Carson Center (LMU) Panama Wenn die Kultur durch Fischfang bestimmt ist, wie in etwa bei einer Guna-Gemeinde in Panama, kann ein Umzug in eine an- dere Region tiefgreifende Umbrüche bedeuten. Daher beschäf- tige ich mich unter anderem damit, mit welchem rechtlichen Mechanismus die Kultur der Völker, deren Lebensgrundlage aufgrund des Klimawandels zu sinken droht, gewahrt werden kann. Eine Frage dabei ist, welchen Ausgleich die Völkerrechtskommission und einzelnen Staaten den betroffenen Menschen bieten. Eva Bergdolt | Wissenschaftskommunikation CAPAS Kolumbien Ich möchte mit meiner Arbeit zur Anerkennung und Würdigung der Umweltaktivistinnen beitragen, die in Kolumbien zunehmend bedroht, zum Schweigen gebracht und ermordet werden. Ich hoffe, dass dies Aufmerksamkeit auf das Leben derjenigen Frauen lenken kann, die vergessen wurden; auf die Morde, die gerechtfertigt oder bagatelli- siert wurden und auf die Stimmen von denen, die die Umwelt und das Land auf dem sie leben schützen. Die Lebensgeschichten der kolumbianischen Frauen sollen dazu beitragen, dass sich ähnliche Tragödien nicht wiederholen, dass ihr Wirken Anerkennung erfährt und dass wir der Zerbrechlichkeit des Lebens gewahr werden. Maria del Pilar Peralta Ardila | Rachel Carson Center (LMU)

Regionalstudien neu gedacht

Mit der Förderrichtlinie „Regionalstudien“ fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die theoretische, konzeptionelle, methodische und empirische Weiterentwicklung der area studies.

Beispielsweise untersucht das BMBF-geförderte Regionalstudienprojekt EXTRACTIVISM im Vergleich zwischen Lateinamerika und Maghreb die Krisenszenarien, Wandlungsmöglichkeiten sowie die Beharrlichkeit des Entwicklungsmodells „Rohstoffexport“ vor dem Hintergrund der ökologischen Wende.

Ein weiteres Beispiel ist das BMBF-Verbundprojekt NISANSA: Es ergänzt die Klimawandelforschung um regional- und sozialwissenschaftliche Perspektiven und nimmt dabei den Globalen Süden in den Blick.

Transatlantik-Plattform erforscht Folgen der Corona-Pandemie

 Welche Auswirkungen die COVID-19-Pandemie auf die Klimapolitik hat, erforscht das transnationale Vorhaben COVCLIM. Das Projekt ist eines der 19 Projekte zum Thema "Recovery, Renewal and Resilience in a Post-Pandemic World" der Transatlantik-Plattform (T-AP), ein Zusammenschluss zwischen zentralen Forschungsförderorganisationen in Nord- und Südamerika und Europa auf dem Gebiet der Sozial- und Geisteswissenschaften. 

Erfahren Sie in diesem Special, woran die Forschenden arbeiten und welchen Beitrag sie mit ihrer Forschung zur Bewältigung der globalen Herausforderungen leisten.

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