NISANA erforscht soziale Klimawandelfolgen im globalen Süden
Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Gesellschaften des Globalen Südens aus? Und welche Potenziale für Nachhaltigkeitsinnovationen können sich daraus entwickeln? Um Fragen wie diese zu klären, ergänzt das Verbundprojekt NISANSA die Klimawandelforschung um regional- und sozialwissenschaftliche Perspektiven – und richtet dafür den Blick auf das südliche Afrika sowie das nördliche Lateinamerika.
Ziel des NISANSA-Projektes ist es, fundiertes Wissen über die sozialen Konsequenzen der Klimawandelfolgen in diesen Regionen zu generieren. Was genau untersuchen Sie?
Klimawandel ist ein Phänomen, dass oft mit Ungleichheit verbunden ist – sowohl in seiner Verursachung als auch in seinen Auswirkungen. Er verändert soziale Lebensrealitäten massiv und verlangt Antworten auf gesellschaftlicher und politischer Ebene. Diese stehen im Fokus von NISANSA, da sie bisher in ihrer Verschiedenheit und Komplexität, aber auch Konflikthaftigkeit kaum berücksichtigt wurden. Die Fähigkeiten, Klimafolgen zu bewältigen, sind weltweit sowohl räumlich als auch gesellschaftlich unterschiedlich. Klimawandelforschung – immer noch stark naturwissenschaftlich ausgerichtet und durch die Diskurse auf der globalen Ebene geprägt – greift zu kurz: Klimawandel ist nicht nur ein technologisches Problem von Klimaschutz, sondern erfordert vor allem die Veränderung von sozialen Handlungspraktiken. Dabei spielen viele Faktoren wie Kultur, Politik, Werte Weltanschauungen, aber auch Macht, Identität oder Loyalität eine Rolle.
Wieso ist Interdisziplinarität in der Klimawandelforschung so wichtig und welche Rolle spielt das Zusammenspiel von Geistes- und Sozialwissenschaften und Naturwissenschaften?
Der jüngste IPCC Report (2022) hat nochmal verdeutlicht: Klimawandel schreitet schneller voran als unsere Maßnahmen des Klimaschutzes und der Anpassung. Dies unterstreicht die Komplexität der Klimawandelfolgen und dass beide Prozesse Hand in Hand gehen müssen. Lassen Sie es mich am Beispiel der knapper werdenden Ressource Wasser verdeutlichen. Der Klimawandel beeinflusst Oberflächenwasser und Grundwasserspeicher. Diese überqueren aber lokale, regionale und nationale Grenzen. Gleichzeitig wird Wasser zur Energieerzeugung, für die Nahrungsmittel- und industrielle Produktion, als Trinkwasser und ebenso für das Ökosystem benötigt. Bei der Suche nach neuen nachhaltigkeitsorientierten sozial-innovativen Lösungen, müssen unterschiedliche Interessen ausgehandelt werden. Kooperationen können nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden, vor allem über lokale, regionale und nationale Ebenen hinweg.
Die breite Interdisziplinarität und die nicht immer einfache Integration von geistes-, sozial- und naturwissenschaftlichen Perspektiven in unserem Verbundprojekt, haben das Potential, die direkten und indirekten sowie kontextspezifischen Wirkungen der Klimawandelfolgen fundierter zu erforschen. Hier sind unsere eigenen reflexiven Lernprozesse im Projekt insgesamt von großer Relevanz. Unser Ziel ist es, zu einer Wissensbasis beizutragen, die es ermöglicht Lösungsansätze zu befördern und zu gestalten, die der Realität und dem spezifischen Bedarf vor Ort entsprechen.
Welche Beispiele gibt es für unterschiedliche öffentliche Klimadiskurse zwischen dem globalen Süden und Norden?
Die Rahmenbedingungen der Länder und Regionen des Globalen Nordens und des Südens sind keinesfalls homogen. Dennoch verdeutlichen unsere Forschungen prägnante Unterschiede: Während im Globalen Norden der Klimaschutz den Diskurs primär bestimmt und auf Themen wie Energiesicherheit, Mobilität oder Ernährung abzielt, spielt die Anpassung an den Klimawandel im Globalen Süden eine ungleich größere Rolle. Klimarisiken, Klimawandelfinanzierung, Fragen der sozialen Ungleichheit und Gerechtigkeit, insbesondere sozial schwacher und armer Bevölkerungsgruppen deren Schutz und angemessene Beteiligung bestimmen wesentlich den Diskurs. Stark präsent ist in den jüngeren Jahren auch die enge Verknüpfung der Entwicklungsfrage mit den Maßnahmen der Klimawandelfolgenbewältigung und die Sichtweise, dass sich beide gegenseitig bedingen.
Unlängst haben Sie das NISANSA-Forum in Kolumbien ausgerichtet. Was ist Ihr Fazit zur ersten Transferveranstaltung?
Unser Forum fand an der Universität del Magdalena in Santa Marta, Kolumbien unter der Leitung von Ernst Halbmayer statt. Es ist auf großes zivilgesellschaftliches und wissenschaftliches Interesse gestoßen. Lokalen Initiativen und Gemeinden hatten Gelegenheit, in einen dreitägigen Wissens- und Erfahrungsaustausch zu treten. Das Forum war aus unserer Sicht sehr erfolgreich und hat zur Vernetzung der lokalen Gemeinden sowie zur Einbindung von lokalen Perspektiven und Initiativen im Umgang mit Klimawandelfolgen in die Wissenschaft beigetragen.
Herzlichen Dank für Ihre interessanten Einblicke, Frau Professorin Strambach!
(Das Interview erfolgte schriftlich am 28. April 2023, Fragen: Katrin Schlotter
Das BMBF-Verbundprojekt NISANSA - Soziale Klimawandelfolgen und Nachhaltigkeitsinnnovation im globalen Süden
Im Verbund arbeiten die Philipps Universität Marburg und Justus-Liebig-Universität Gießen zusammen. Gemeinsam untersuchen sie die Dynamiken der Nachhaltigkeitsinnovationen transregional vergleichend in sieben Teilprojekten im südlichen Afrika (Angola, Botswana, Malawi, Mozambique, Namibia, Sambia, Südafrika) und dem nördlichen Südamerika (Brasilien, Ecuador, Kolumbien, Venezuela) mit internationalen Kooperationspartnern. Ziel ist, klimabezogene gesellschaftliche Veränderungsprozesse zu verstehen, zu gestalten, zu planen und zu steuern, sowie das in den Ländern des Global South vorhandene Wissen für Lösungsstrategien fruchtbar zu machen. Geleitet wird das Projekt der Förderlinie Regionalstudien von Prof. Dr. Simone Strambach und Prof. Dr. Ernst Halbmayer.
Laufzeit: 2021-2024.
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