Bergbau in Borneo - Interview mit der Anthropologin Kristina Großmann, Leiterin des Projekts FuturEN
In Kalimantan, dem indonesischen Teil der Insel Borneo, befinden sich die mutmaßlich größten Kohlereserven weltweit, teils im geschützten Waldgebiet "Heart of Borneo". Über die Auswirkungen der Bergbau-Industrie auf die dort beheimateten indigenen Gruppen sowie die Umwelt forscht Prof. Dr. Kristina Großmann.
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Frau Prof. Großmann, wie sind Sie auf Ihr Forschungsthema gekommen?
Borneo ist die drittgrößte Insel der Welt. Früher war Borneo von ausgedehnten Regenwäldern und Torfsumpfwäldern bedeckt. Die Wälder schrumpfen jedoch rapide, da jedes Jahr Millionen Hektar abgeholzt und in Palmölplantagen und Kohle-Tagebau umgewandelt werden. Ich wollte verstehen, wie es dazu kommt, dass in Zeiten von Klimawandel und nachhaltiger Entwicklung nicht der Schutz des Waldes und der Biodiversität Priorität hat, sondern der Abbau von Kohle.
Welches Ergebnis hat Sie besonders überrascht - und warum?
Während meiner Forschung wurde mir klar, dass sowohl der Schutz der Umwelt wie auch der Abbau von Ressourcen für die Menschen dort wichtig und allgegenwärtig sind. Dabei ist der Kohleabbau nicht nur auf der nationalen, sondern auch auf der persönlichen Ebene für Menschen ein Synonym für Entwicklung.
Bewohner*innen von Bergbaudörfern befinden sich oftmals in einem Dilemma: Zum einen bieten die Unternehmen Einkommensmöglichkeiten und eine Verbesserung der dörflichen Infrastruktur, zum anderen sinkt ihre Kontrolle über Ressourcen und Land. Dysfunktionale staatliche Strukturen tragen zudem dazu bei, dass Bergbauunternehmen zum Heilsbringer für ‚gute‘ Entwicklung hochstilisiert werden, was dazu führt, dass viele den großflächigen Kohlebergbau generell unterstützen und die damit verbundene Umweltzerstörung als notwendiges Übel akzeptieren.
Die Hoffnung auf Entwicklung wird jedoch oftmals enttäuscht. Einige Siedlungen in den Bergbaugebieten haben zum Beispiel seit Jahrzehnten noch immer kein sauberes Trinkwasser und keine stabile Stromversorgung. Dies ist besonders ironisch, da die geförderte Kohle für Kohlekraftwerke in Indonesien verwendet wird, die hauptsächlich die großen Städte auf der Insel Java mit Strom versorgen und nicht die Bergbaudörfer in Kalimantan.
Gibt es Lösungswege für dieses Dilemma?
Die Erarbeitung von Lösungen dieses Dilemmas, also dem Wunsch auf Entwicklung und dem Verlust der Kontrolle über Land, waren Kerngegenstand von zwei transdisziplinären Zukunftsworkshops, die ich in im Zuge des BMBF-Projekts in Kalimantan veranstaltet habe.
An diesen Workshops nahmen Schlüsselpersonen der Regierung, der Bergbaufirma, der Dorfbevölkerung und von zivilgesellschaftlichen Organisationen teil. In den Workshops wurde zum Beispiel die Implementierung indigener Landnutzungsprogramme zur Lösung von aktuellen Landrechtsproblemen diskutiert.
Das Problem war, dass die Front zwischen der Firma und der Bevölkerung in dieser Frage ziemlich verhärtet ist und keine kritische Diskussion stattfinden konnte. Diese festgefahrene Situation konnte etwas gelöst werden, da ich als ‚externe‘ Wissenschaftlerin zu diesen Workshops einlud und nicht als zu einer der beiden verhärteten Fronten zugehörig gerechnet wurde.
Ich denke mit den Workshops konnten die Dorfbewohner*innen gestärkt werden, um ihre Landrechte geltend zu machen und damit hoffentlich die negativen Auswirkungen des Bergbaus in Zukunft reduzieren. Teile des Regenwaldes können im Zuge dessen in Zukunft vielleicht geschützt werden, jedoch wird der Kohleabbau generell nicht mehr aufzuhalten sein. So werden in naher Zukunft riesige Teile des noch existierenden Tropenwaldes in Kalimantan für Kohle abgeholzt werden.
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