Zu Tisch im Alten Orient - Projekt „PEKULI“: Interview mit Projektleiterin Dr. Shira Gur-Arieh

Die libanesische Beqa-Ebene ist eine Schlüsselfundstelle des bronze- und eisenzeitlichen Ostmittelmeerraums. Wie sich die Ernährungspraktiken von der Mittelbronzezeit bis in die Perserzeit von ca. 1800 bis 400 v. Chr. verändert haben, untersucht die Archäologin Dr. Shira Gur-Arieh anhand von Zahnstein.

Kiefer eines Individuums aus Kamid el-Loz mit Zahnstein

Kiefer eines Individuums aus Kamid el-Loz mit Zahnstein

 Stefanie Eisenmann und Angela Mötsch

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Frau Dr. Arieh, wie sind Sie darauf gekommen, die Esskultur des Alten Orients anhand von fossilem Zahnstein zu erforschen?

Dr. Shira Gur-Arieh, Projektleiterin PEKULI

 Dr. Shira Gur-Arieh, Projektleiterin PEKULI und Postdoc, Institut für Prähistorische und Protohistorische Archäologie und Provinzialrömische Archäologie, Ludwig-Maximilians-Universität München, Deutschland

Gur-Arieh

Mich hat schon immer interessiert, wie die Menschen in der Vergangenheit gelebt haben. Mir ist es wichtig, vor allem die alltäglichen Aspekte ihres Lebens zu untersuchen. Zum Beispiel: Was haben sie gegessen? Wie haben sie gekocht? Und was können wir daraus lernen, über die Menschen als Individuen, aber auch über Gesellschaften? All diese alltäglichen Handlungen von Individuen sind stark in unserem kulturellen Hintergrund verwurzelt. Wir können sie nutzen, um etwas über den kulturellen Austausch und die menschliche Mobilität zu lernen.

Als Philipp Stockhammer, Professor für Prähistorische Archäologie an der LMU München, mir anbot, an den Zahnsteinen aus Tell Kamid el-Loz zu arbeiten, knüpfte das an meine persönliche Erfahrung an: Als Ausländerin in Deutschland habe ich in den libanesischen und syrischen Lebensmittelgeschäften nach vertrauten Produkten aus meinem Land gesucht, andererseits habe ich, wenn ich nach Hause kam, die deutschen Gerichte, die ich lieben gelernt habe, vermisst. Dies zeigt, wie groß die Bedeutung der Esskultur für unsere persönliche Identität ist, und wie glücklich wir heute sind, dass wir Nahrungsmittel leicht transportieren können. Das brachte mich dazu, darüber nachzudenken, welche Art von Essen die Menschen in der Vergangenheit transportiert haben, was es uns über sie erzählen kann und wie wir es sichtbarer machen können.

Ich arbeite an mikroskopischen Überresten von Pflanzen, die mit der menschlichen Nutzung von Pflanzen in der Vergangenheit in Verbindung stehen. Ich betrachte Pflanzenreste, die sich an Orten festgesetzt haben, an denen sie bessere Überlebenschancen haben. Ein solcher Ort ist der Zahnstein – wörtlich 'steinerner Zahn' – , eine Ablagerung, die sich regelmäßig in unserem Mund durch die Versteinerung von Mundbakterien bildet und dabei mikroskopisch kleine Stücke von dem einlagert, was wir konsumieren, zum Beispiel Nahrung und Getränke. In jüngster Zeit hat sich Zahnstein als hervorragendes Werkzeug für die Rekonstruktion der prähistorischen Ernährung erwiesen. Bisher wurde er jedoch kaum für die Untersuchung von bronze- und eisenzeitlichen Stätten und Bevölkerungen im Alten Orient eingesetzt. In meinem neuen Projekt hoffe ich, durch die Anwendung einer interdisziplinären wissenschaftlichen Methode die Vielfalt und Dynamik der individuellen menschlichen Ernährung im Alten Orient besser zu verstehen.

Was ist das Faszinierende am antiken Libanon?

Tell Kamid el-Loz liegt in der Beqa-Ebene im Libanon an der zentralen Handelsachse zwischen der südlichen Levante und den frühen urbanen Zentren Syriens. Die Siedlung auf dem Tell erlebte ihre Blütezeit in der mittleren und späten Bronzezeit (ca. 2000-1200 v. Chr.), wovon die bei den Ausgrabungen freigelegten Tempel und Paläste zeugen. In der Eisenzeit (1200-600 v. Chr.) verlor sie an Bedeutung. Der wichtigste Fund aus der nachfolgenden persischen Zeit (600-330 v. Chr.) ist ein großer Friedhof. Diese Grabstätten waren zuvor untersucht worden, um populationsgenetische Entwicklungen, biologische Beziehungen zwischen Individuen, ihre Mobilität und Krankheiten zu identifizieren.
Durch die Lage an einer wichtigen Handelsachse, den Reichtum der Fundstätte und die spezifischen bioarchäologischen Informationen, die für die verschiedenen Grabstätten zur Verfügung stehen, wird meine bisher angewandte Analyse den Vergleich der Ernährungsweisen der Individuen in einer nie dagewesenen Detailgenauigkeit ermöglichen.

Was hat Sie bisher besonders überrascht? Warum?

In der ersten Phase meiner Forschung habe ich an der Untersuchung von Stärke aus einer Referenzsammlung gearbeitet, die ich aus den typischen essbaren Pflanzen des Libanon zusammengestellt habe. Ich war sehr beeindruckt zu entdecken, wie wichtig einige der essbaren Wildpflanzen in der lokalen Küche immer noch sind. Jetzt bin ich gespannt, ob ich einige von ihnen im Zahnstein der ehemaligen Bewohner des Tells identifizieren kann.

Aufgrund der Corona-Pandemie konnten Sie Ihr Projekt wahrscheinlich nicht wie geplant abschließen. Gibt es irgendwelche innovativen Elemente, die die Corona-Bedingungen in Ihr Forschungsgebiet gebracht haben?

Obwohl ich den Start meines Projekts wegen der Corona-Pandemie um fast ein Jahr aufschieben musste, habe ich festgestellt, dass wir fast überall dank virtueller Technologien viel erreichen können. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig der Aufbau eines starken Netzwerks von Kooperationen ist. Es ermöglicht uns, Ideen auszutauschen, uns gegenseitig zu unterstützen und einander zu helfen!

Zahnsteinentnahme an der Universität Göttingen

Zahnsteinentnahme an der Universität Göttingen

Stefanie Eisenmann und Angela Mötsch

Frau im Labor

Extraktion von Stärke und Phytolithen aus einer Zahnsteinprobe

Gur-Arieh

Kichererbsen-Stärkekörner unter dem Mikroskop in planpolarisiertem Licht bei x400 Vergrößerung.

Kichererbsen-Stärkekörner unter dem Mikroskop in planpolarisiertem Licht bei x400 Vergrößerung.

Gur-Arieh

Phytolithen aus mehrzelligen Blütenständen von Gräsern in planpolarisiertem Licht bei x200 Vergrößerung.

Phytolithen aus mehrzelligen Blütenständen von Gräsern in planpolarisiertem Licht bei x200 Vergrößerung.

Gur-Arieh

 

 

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