Gut geschult? Rassismussensible Bildung für angehende Lehrkräfte
Rassismus in Schulen – ein Phänomen, das unzureichend erforscht ist. Was ist zu tun, um angehende Lehrkräfte rassismussensibel auszubilden? Das erforscht die Nachwuchsgruppe GraL im BMBF-Projekt „Gelingensbedingungen rassismussensibler Lehrer:innenbildung. Eine rassismustheoretische Untersuchung von Studium, Referendariat und Berufseinstieg“.
Im Interview: Leiterin der Nachwuchsgruppe GraL Prof.in Dr. Saphira Shure, Juniorprofessorin für Erziehungswissenschaft an der Universität Bielefeld mit dem Schwerpunkt Rassismus- und Differenzforschung.
Frau Professorin Shure, was ist das besondere an Ihrer Professur und Ihrer Nachwuchsgruppe? Wie trägt diese zur (Weiter)entwicklung der Rassismusforschung bei?
Die Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Rassismus- und Differenzforschung an der Universität Bielefeld, die ich seit März 2023 innehabe, ist im bundesdeutschen Kontext die erste Universitätsprofessur mit dieser Denomination. Durch die Einrichtung der Professur wurde ein wichtiger Schritt dazu gemacht, Rassismusforschung in den universitären Strukturen zu verankern und so auch systematisch zu stärken. Ich bin durch meine Aufgaben als Professorin mit diesem Schwerpunkt auch in der Lehre und in Prozessen der Konzept- sowie Studiengangsentwicklung vertreten und kann gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen meiner Arbeitsgruppe rassismuskritische Perspektiven in die Erziehungswissenschaft und die Schulpädagogik einbringen. Gerade die Weiterentwicklung rassismuskritischer Professionalisierung von Lehrkräften bildet eine zentrale Zuständigkeit im Rahmen der Professur.
Die Nachwuchsgruppe „Gelingensbedingungen rassismussensibler Lehrer:innenbildung. Eine rassismustheoretische Untersuchung von Studium, Referendariat und Berufseinstieg“ (GraL) bildet mit Blick auf das Ziel einer angemessenen Professionalisierung von Lehrkräften einen sehr wichtigen Forschungskontext. Wir wissen aus vielen Forschungsarbeiten der letzten Jahre, wie wichtig eine Auseinandersetzung mit Rassismus für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften ist, zugleich fehlt aber noch immer entsprechende Forschung. GraL setzt hier durch eine rassismustheoretische Analyse von Studium, Referendariat und Berufseinstieg an.
Außerdem entstehen in der Nachwuchsgruppe Dissertationsprojekte, die einen weiteren Beitrag zur Institutionalisierung erziehungswissenschaftlicher Rassismusforschung leisten. In den Projekten von Jaël In 't Veld, Vanessa Ohm und Roya Saadati Fashtomi werden methodologische Zugänge qualitativer Rassismusforschung sowie Theorieperspektiven ausdifferenziert und weiterentwickelt. Dies sind wichtige Arbeiten, um die deutschsprachige Rassismusforschung voranzubringen.
Sie untersuchen rassismusrelevante Strukturen und Momente in den drei Phasen des Bildungswegs: Studium, Referendariat und Berufseinstieg. Bitte geben Sie uns kurz ein Beispiel für rassismusrelevante Strukturen und Momente.
Strukturelle Bedingungen, Erfahrungen und Selbstverständnisse zeigen auch die rassismusrelevanten Strukturen und Momente innerhalb des Bildungswegs von Lehrenden und bilden die Ausgangspunkte unserer Untersuchung.
Momente stehen in diesem Zusammenhang für punktuelle Ereignisse und Erfahrungen, wie etwa die Erfahrung einer Studentin, dass in ihrem gesamten Studium über Rassismus und Rassismuserfahrungen geschwiegen wurde. Für diese Teilstudie führen wir Interviews mit Studierenden, Referendarinnen und Lehrkräften im Berufseinstieg durch.
Strukturen beziehen sich auf institutionelle Bedingungen und inhaltliche Grundlagen für Professionalisierungsprozesse, wie sie etwa in Curricula oder Konzeptpapieren deutlich werden. In diesem Zusammenhang untersuchen wir anhand einer Dokumentenanalyse, inwiefern und wann beispielsweise die Thematisierung von Rassismus in diesen Grundlagen auftaucht oder aber gerade keine Berücksichtigung erfährt.
Die Resonanz auf unsere Anfragen ist sehr unterschiedlich, abhängig von Untersuchungsregion und Zeitpunkt, aber auch davon, ob wir durch Partnerinnen und Partner vor Ort die Möglichkeit bekommen, mit den Studierenden direkt in Kontakt zu treten oder nicht.
Wir merken sehr deutlich, dass eine Anfrage per E-Mail oder Instagram viel weniger Menschen dazu bewegt, sich an einer solchen Forschung zu beteiligen, als die direkte Kontaktaufnahme etwa an den Universitäten, in Seminaren oder über Informationsveranstaltungen. Es macht sehr viel aus, wenn die potentiellen Interviewpartnerinnen und -partner die Forschenden kennenlernen, ihnen Fragen stellen oder mit ihnen in einen ersten Austausch gehen können. Wir finden dies insbesondere mit Blick auf das Thema unserer Forschung auch sehr verständlich. Eine Konsequenz ist für uns, dass wir viel mehr Reisetätigkeiten für Feldaufenthalte und den Besuch von Veranstaltungen einplanen und uns dort mit Material zu GraL präsentieren.
Vielen Dank für das interessante Interview und weiterhin viel Erfolg bei Ihren Forschungen!
(Das Interview erfolgte schriftlich am 5. Januar 2024, Fragen: Katrin Schlotter)
Die Nachwuchsgruppe "Gelingensbedingungen rassismussensibler Lehrer:innenbildung? Eine rassismustheoretische Untersuchung von Studium, Referendariat und Berufseinstieg" (GraL)
Im Rahmen der Nachwuchsgruppe "Gelingensbedingungen rassismussensibler Lehrer:innenbildung? Eine rassismustheoretische Untersuchung von Studium, Referendariat und Berufseinstieg" (GraL) werden die verschiedenen Phasen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung im Hinblick auf strukturelle Bedingungen sowie mit Bezug auf die Erfahrungen und professionellen Selbstverständnisse von Adressatinnen und Adressaten (Studierende, Referendarinnen und Referendare sowie Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger), die im Kontext von Rassismus unterschiedlich positioniert sind, rassismustheoretisch untersucht. Dabei zielt GraL auf die Rekonstruktion, Analyse und Theoretisierung von Bedingungen, die das Gelingen einer rassismussensiblen Lehrkräftebildung tendenziell ermöglichen und eine damit verbundene Etablierung rassismussensibler Perspektiven pädagogischer Professionalität.
Leiterin der Nachwuchsgruppe: Prof.in Dr. Saphira Shure
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