EMPATHIA³: Antisemitismusprävention für künftige Staatsbedienstete
Seit dem Angriff der radikal-islamischen Hamas auf Israel am 7.10.2023 ist der Nahost-Konflikt erneut eskaliert. Seither hat sich hierzulande und in aller Welt Antisemitismus verschärft, auf der Straße und in der Schule. Das BMBF-Projekt EMPATHIA³ hat sich zum Ziel gesetzt, angehende Polizistinnen und Polizisten sowie Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit Antisemitismus zu professionalisieren.
Im Interview: EMPATHIA³-Verbundleiterin Prof. Dr. Nicola Brauch, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Geschichtswissenschaften und Team
Frau Professorin Brauch, wie wirken sich der 7. Oktober 2023 und der eskalierende Konflikt in Nahost auf Ihr Verbundprojekt aus?
Seit dem Terroranschlag der Hamas vom 7.10.2023 sehen wir in Deutschland wie weltweit eine Welle des Antisemitismus. Wie die Corona-Pandemie erweist sich einmal mehr der Nahostkonflikt als bedeutende Gelegenheitsstruktur für antisemitisches Sprechen und Handeln. Antisemitismus war nie weg, ihn hat es in Deutschland vor und nach dem Nationalsozialismus gegeben.
Prof. Julia Bernstein belegte 2020 in ihrer Interview-Studie die alltäglichen Antisemitismuserfahrungen von Jüdinnen und Juden an deutschen Schulen. Für unser Projekt hat sich seit dem 7. Oktober vor allem die öffentliche Aufmerksamkeit, auch für einen längerfristigen Forschungsbedarf, verändert.
Mit Ihrem Verbundprojekt adressieren Sie zwei ganz unterschiedliche Zielgruppen – Sie wollen angehende Polizistinnen und Polizisten sowie Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit Antisemitismus professionalisieren. Wie gehen Sie dabei vor?
Diese Zielgruppen, beide künftige Staatsbedienstete, tragen als Beamtinnen und Beamte künftig Verantwortung dafür, in Bezug auf Antisemitismus in ihrem Berufsalltag professionell in den Bereichen Prävention, Intervention und Repression zu handeln. Wir haben daher mittelfristig auch Justiz und Verwaltung im Blick. Dabei kann unser Projekt erst der Anfang sein. Wir leisten Grundlagenarbeit, indem wir ein Kerncurriculum Antisemitismusprävention erarbeiten (KAP). Dieses umfasst sowohl kognitive als auch handlungsorientierte Wissensbereiche, jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart, über jüdische Kultur, Religion und Geschichte, Geschichte Israels und Erscheinungsformen des Judenhasses in verschiedenen Zeiten und Milieus, aber auch szenario-basiertes Handlungswissen im Umgang mit Antisemitismus in der Schule oder in der Konfrontation mit dem „polizeilichen Gegenüber“. Wir entwickeln darauf aufbauend einen standardisierten Test nach Vorbild der PISA-Studien, um die Wirkung von Interventionen zur Professionalisierung der Zielgruppen auch mittel- wie langfristig evaluieren zu können. Schließlich konzipieren wir auch eine szenario-basierte Intervention, in der dieser Test als Pre- und Posttest eingesetzt werden wird. Wir untersuchen, inwiefern eine gemeinsame Professionalisierung der Zielgruppen von Vorteil sein könnte. Dabei spielt für uns professionelle Empathie eine zentrale Rolle. An einer bildungswissenschaftlichen Definition und Konzeption dieses häufig übersehenen Aspekts professioneller Antisemitismusprävention arbeiten wir.
Welchen gesellschaftlichen Beitrag kann Ihr Projekt heute und in Zukunft auch im Bereich Bildung leisten?
Wir hoffen, dass wir durch die kontinuierliche Arbeit am Kerncurriculum Antisemitismus Prävention (KAP) und der darauf bezogenen Entwicklung von Materialien, Interventionen und begleitender Evaluationen einen Beitrag zur wehrhaften Demokratiebildung leisten können. Denn Antisemitismus ist laut Bundesverfassungsgericht ein Angriff auf Menschenwürde und die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Für diesen Zusammenhang müssen künftige Staatsbedienstete sensibilisiert werden. Sie müssen in ihrer Ausbildung sprachfähig und handlungsfähig gemacht werden, um Antisemitismus zu erkennen und ihm professionell entgegentreten und ihn abwehren zu können.
(Anmerkung: Die Antworten haben wir im Team entwickelt, ich danke insbesondere Volker Beck (TIKVAH Institut, Berlin) und RDn Dr. Sarah Jahn (HSPV Dortmund) für ihre Mitarbeit.)
Ihnen allen vielen Dank für das interessante Interview und Ihre Forschungsarbeit!
(Das Interview erfolgte schriftlich am 27. November 2023, Fragen: Katrin Schlotter)
EMPATHIA³
EMPATHIA³ setzt sich für Antisemitismusprävention und -repression ein: Die Forschenden wollen angehende Polizistinnen und Polizisten sowie und Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit Antisemitismus professionalisieren. Dazu entwickelt, implementiert, und evaluiert das Projekt ein Kerncurriculum zur Antisemitismusprävention, -intervention und -repression, einen digitalen Test zur Erfassung von Wissen und Einstellungen und ein gemeinsames Kursprogramm für die Zielgruppen.
EMPATHIA³ ist eines von zehn bundesweiten Vorhaben der BMBF-Förderlinie „Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus“. Das Verbundprojekt steht unter der Leitung von Prof. Dr. Nicola Brauch (Ruhr-Universität Bochum, RD CERES).
Förderzeitraum: 10.2021 - 09.2025
Partner:
Universität Tübingen, Hector Institut für Empirische Bildungsforschung: Prof. Dr. Ulrich Trautwein & Lisa Zachrich
Universität Bielefeld, ZPI - Zentrum für Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter: Dr. Marc Grimm HSPV - Hochschule für Polizei und Öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen in Gelsenkirchen: Dr. Sarah Jahn & Jana Frommer
Tikvah Institut gUG Berlin: Volker Beck Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Geschichtswissenschaften: Prof. Dr. Nicola Brauch & Dr. Marcel Mierwald
Ruhr-Universität Bochum, CERES: Prof. Dr. Alexandra Cuffel & Jonna Mäder
FoNA21
Das Forschungsnetzwerk Antisemitismus im 21. Jahrhundert (FoNA21) wurde im Rahmen des BMBF-Förderprogramms Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus gegründet. Es begleitet zehn Verbundprojekte, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven und Fragestellungen der Erforschung der Ursachen und Hintergründe der gegenwärtigen Erscheinungsformen des Antisemitismus in Deutschland widmen.
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