Weltende als Chance? Denkansätze zur Lösung der Klimakrise

Die Welt geht unter – was dann? Endzeitszenarien und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft analysiert das Käte Hamburger Kolleg „Apokalyptische und Postapokalyptische Studien“ (CAPAS) in Heidelberg – selbstverständlich auch mit Blick auf die Klimakrise. Wie erhellend der Blick aufs Ende sein kann, erfahren Sie hier von CAPAS-Forschenden.

Eva Bergdolt / CAPAS / Wissenschaftskommunikation

Eva Bergdolt

Eva Bergdolt / CAPAS / Wissenschaftskommunikation

Tobias Schwerdt, CAPAS

Im Februar 2023 fasste UN-Generalsekretär António Guterres die Konsequenzen des Anstiegs des globalen Meeresspiegels in knappe, aber prägnante Worte: „Steigende Meere sind sinkende Zukünfte.“ Hinter dieser Formulierung steht eine radikale Umwälzung der Lebensbedingungen einer Vielzahl von Menschen, deren gewohnte Lebenswelt buchstäblich untergehen wird. Diese apokalyptische Perspektive betrifft Metropolen an Küsten, aber besonders auch Inselstaaten im zentralen Pazifik oder der Karibik. Oft gehören diese Territorien indigenen Völkern. Mit dem Verschwinden der Häuser verschwinden aber nicht die Menschenrechte. Wenn die Kultur durch Fischfang bestimmt ist, wie in etwa bei einer Guna-Gemeinde in Panama, kann ein Umzug in eine andere Region tiefgreifende Umbrüche bedeuten. Daher beschäftige ich mich unter anderem damit, mit welchem rechtlichen Mechanismus die Kultur der Völker, deren Lebensgrundlage aufgrund des Klimawandels zu sinken droht, gewahrt werden kann. Eine Frage dabei ist, welchen Ausgleich die Völkerrechtskommission und einzelnen Staaten den betroffenen Menschen bieten.

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Prof. Dr. Christine Hentschel / Institut für Sozialwissenschaften, Universität Hamburg / CAPAS Fellow Sommersemester 2022

Prof. Dr. Christine Hentschel

Prof. Dr. Christine Hentschel / Institut für Sozialwissenschaften, Universität Hamburg / CAPAS Fellow Sommersemester 2022

Eva Bergdolt, CAPAS

Mich beschäftigt aus sozial- und kulturwissenschaftlicher Sicht, wie sich im Angesicht der dramatischen und unwiederbringlichen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen („Klimakrise“) ein apokalyptischer Sinn der Gegenwart artikuliert. Damit meine ich ein Denken, in dem das Ende in gesellschaftlichen Debatten zu einem wichtigen Bezugspunkt wird: als ablaufende Zeit, als gefährlicher Tipping Point oder als allerletzte Chance, die wir jetzt ergreifen müssen. Das zeigt sich beispielsweise, wenn uns Wissenschaftler:innen vorrechnen, wieviel Zeit uns noch bleibt, um das Schlimmste abzuwenden, wenn Aktivistinnen und Aktivisten in dramatischen Performances darauf hinweisen, dass ‚wir‘ keine Zukunft haben, aber auch wenn die Immobilienbranche mit ‚apokalypse-tauglichen‘ Angeboten wirbt. Mich interessiert, welche politischen Handlungslogiken aus dem heterogenen Spektrum apokalyptischer und postapokalyptischer Denkweisen entstehen – von ‚jetzt noch schnell alles rumreißen‘ über ‚sowieso schon zu spät und rette sich wer kann‘ bis hin zum melancholischen Trauern um die bereits eingetretenen und die noch bevorstehenden Verluste.

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Dr. Rolf Scheuermann / CAPAS / Wissenschaftliche Koordination und Veranstaltungsorganisation

Dr. Rolf Scheuermann

Dr. Rolf Scheuermann / CAPAS / Wissenschaftliche Koordination und Veranstaltungsorganisation

Tobias Schwerdt, CAPAS

Die Klimakrise, eine der größten globalen Herausforderung unserer Zeit, fügt sich inhaltlich sehr gut in klassische buddhistische Endzeit-Narrative ein. Diese berichten von einer Zunahme und Häufung von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Dürren, Hitzewellen usw., aber auch Phänomenen wie kriegerischen Auseinandersetzungen oder Pandemien. Die buddhistische Theorie des Entstehens in Abhängigkeit (Skt. pratītyasamutpāda) geht jedoch davon aus, dass die Zukunft nicht vorherbestimmt ist, sondern kontinuierlich durch komplexe Beziehungsgeflechte von Ursachen und Bedingungen geformt wird. In meiner Forschung am CAPAS gehe ich der Frage nach, welchen Beitrag buddhistische Denkansätze zur Lösung der Klimakrise beisteuern können. Dabei berücksichtige ich auch ökobuddhistische Bewegungen der Gegenwart wie Extinction Rebellion Buddhists oder OneEarth Sangha. Zudem bereitet unser Team am CAPAS gerade eine transdisziplinäre Konferenz in Neu Delhi, Indien, vor, die ein zentrales Thema der Zukunft – Wassernöte in Zeiten des Klimawandels–, multiperspektivisch in den Fokus rückt.

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Prof. Dr. Daniel Barber / Professor of Architecture, School of Architecture, Faculty of Design Architecture and Building, University of Technology Sydney / CAPAS Fellow 2021-2022

Prof. Dr. Daniel Barber

Prof. Dr. Daniel Barber / Professor of Architecture, School of Architecture, Faculty of Design Architecture and Building, University of Technology Sydney / CAPAS Fellow 2021-2022

Eva Bergdolt, CAPAS

Wenn man die Geschichte der Architektur durch die Perspektive des Klimanotstands betrachtet, zeigt sich eine Fülle von Strategien und Perspektiven. Zuallererst denken die meisten sicher an technische Effizienz. Aber ich finde die Beispiele besonders spannend, die erkunden, wie man für ein Leben in einer insgesamt weniger kohlenstoffabhängigen gebauten Umwelt planen kann. Der Wandel, den geisteswissenschaftliche Perspektiven in der Architektur fördern können, geht eher in Richtung Suffizienz als in Richtung Effizienz: wie man in absoluten Zahlen weniger verbrauchen kann, an Stelle marginaler Verbesserungen durch technologische Innovationen. Suffizienz-Interventionen sind sozialer Natur: Es geht um Gewohnheiten und Praktiken, darum, wie wir in einer vom Klimawandel geprägten Welt zusammenleben können. Forschung zu „thermischen Praktiken“, also wie wir mit weniger Heizen und Kühlen auskommen können, ist dabei für direkte CO2-Einsparungen besonders vielversprechend. Andere Forschende untersuchen auch die Neugestaltung und Umnutzung historischer Strukturen für andere Wohn- und Arbeitsmuster.

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„Apokalyptische und Postapokalyptische Studien“ (CAPAS)

Das BMBF-geförderte Käte Hamburger Kolleg „Apokalyptische und Postapokalyptische Studien“ (CAPAS) befasst sich mit der Frage, wie Katastrophen und Endzeitszenarien auf Gesellschaften, Individuen und Umwelt wirken. Ziel ist es, vergangene und gegenwärtige Systemumbrüche und -zusammenbrüche auf der Basis eines transdisziplinären Forschungsansatzes differenziert zu beschreiben und zu erforschen. Auch die Reaktionen auf apokalyptische Szenarien sowie Zukunftsentwürfe für die Zeit nach der Katastrophe werden vor dem Hintergrund ihres jeweiligen historischen und kulturellen Rahmens betrachtet, analysiert und hinterfragt – zusammen mit Fellows aus aller Welt.

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