„PERSPEKTIVE: FREIHEIT“: eine Initiative der Akademienunion

Unter dem Motto „PERSPEKTIVE: FREIHEIT“ haben die deutschen Akademien der Wissenschaften im Wissenschaftsjahr 2024 – Freiheit innovative Formate umgesetzt, um Wissenschaft und Gesellschaft miteinander ins Gespräch zu bringen.

Im Interview: Professor Dr. Christoph Markschies, Präsident der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften

Zum Auftakt des Wissenschaftsjahres 2024 - Freiheit haben Sie betont, dass Freiheit ein essentieller Teil der DNA der Akademien ist. Was macht diese „Freiheits-DNA“ aus? Und warum ist sie in Zeiten wie diesen von unschätzbarer Bedeutung?

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Markschies

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Markschies, Präsident der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften

Pablo Castagnola

Akademien sind frei, sich ihre Mitglieder zu wählen. Akademien sind frei, sich ihre Forschungsthemen zu wählen. Akademien sind frei, Gesellschaft und Politik das zu raten, was sie selbst für wissenschaftlich angemessen halten. Das unterscheidet sie von vielen anderen Wissenschaftseinrichtungen, die in Strukturen eingebunden sind, in denen Entscheidungen in Abstimmung mit anderen Akteuren getroffen werden. Akademien sind die freiesten Institutionen im deutschen Wissenschaftssystem – und diese Freiheit verpflichtet sie. Ihre eigene Freiheit zu verteidigen und nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen, aber auch für die Freiheit anderer einzutreten – im eigenen Land wie in der großen weiten Welt. Das meint meine Rede von der in die DNA der Akademien eingeschriebenen Freiheit: Wir reproduzieren sie hoffentlich ständig. Fehlt sie, liegt ein höchst dramatischer Reproduktions-Fehler in der Akademie vor.

Im Wissenschaftsjahr haben Sie als Akademienunion ebenso wie die einzelnen Akademien innovative Formate und Projekte zum Thema „Freiheit“ umgesetzt, um Wissenschaft und Gesellschaft ins Gespräch zu bringen - und zwar genau dort, wo Freiheit bedroht ist. Hätten Sie dazu ein, zwei Beispiele?

Mein Lieblingsbeispiel ist das im Wissenschaftsjahr 2024 - Freiheit erdachte Format „Die Wissenschaft – und ich?!“, das wir gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Hochschulrektorenkonferenz als Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und als Akademienunion realisiert haben. Gespräche auf Augenhöhe mit Menschen auf Marktplätzen in Ost- wie Westdeutschland, bei Kaffee und Kuchen im Gespräch über ganz alltägliche Sorgen und Ängste, aber auch zu ganz konkreten Fragen an die Wissenschaft. Wir, die wir auf den Marktplätzen standen, haben sicher mindestens so viel gelernt wie die, die mit uns gesprochen haben und uns zum Teil Löcher in den Bauch gefragt haben, zum Teil aber auch einfach nur ihre Sorgen und Nöte erzählt haben. Und natürlich gab es – beispielsweise in Leipzig in der Akademie – zum Jahrestag des Mauerfalls Gespräche, bei denen nicht nur die Hoffnungen auf Freiheit im Jahre 1989, sondern auch die Enttäuschungen dieser Hoffnung Thema waren. Mit Menschen ins Gespräch kommen, heißt ja erst einmal, ihre Sorgen ernst nehmen und nicht sofort eigene Sichtweisen darüber zu legen.

Gibt es Erkenntnisse oder Initiativen, die über das Wissenschaftsjahr Freiheit hinaus reichen?

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften hat im Wissenschaftsjahr in der einstigen Lenin-Werft in Danzig ein Netzwerk Transeuropa gegründet, das unter dem Eindruck des russischen Einmarschs in die Ukraine junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine und im Exil mit Kollegen und Kolleginnen aus anderen europäischen Ländern zusammenführt. Dort wie auch bei anderen Aktivitäten für die Ukraine ist deutlich geworden (wie eben auch beim Auftakt in Danzig), wie tief verwurzelt in diesem Teil Europas die Freiheitsliebe ist. Es ist aber auch klar geworden, wie wenig wir wissen. Der deutschen friedlichen Revolution des Jahres 1989 geht die Revolution auf der Lenin-Werft voraus, eine unabhängige Gewerkschaft in einer autoritären Gesellschaft zu erzwingen, die die Demokratisierung eines ganzen Landes einleitet. Polen war viel früher dran mit seinem Kampf um die Freiheit. Und es hat sie jüngst in Wahlen wieder verteidigt. Im Blick auf die Freiheit gibt es viel von unseren Nachbarn östlich von Oder und Neiße zu lernen – und diese Erkenntnis wie entsprechende Initiativen reichen hoffentlich lange über das eine Jahr 2024 hinaus.

Besten Dank für Ihren Beitrag, Herr Professor Markschies!

(Das Interview erfolgte schriftlich am 6. Dezember 2024, Fragen: Katrin Schlotter)

Union der deutschen Akademien der Wissenschaften

Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ist der Zusammenschluss von acht deutschen Wissenschaftsakademien. Gemeinsam engagieren sie sich für den interdisziplinären Austausch, die Sicherstellung der wissenschaftlichen Exzellenz und die Förderung junger Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Die Akademienunion koordiniert das BMBF-geförderte Akademienprogramm, das größte geistes- und sozialwissenschaftliche Langzeitforschungsprogramm Deutschlands. Sie lädt regelmäßig zum Dialog über aktuelle Themen aus der Wissenschaft ein und beteiligt sich an der wissenschaftsbasierten Gesellschafts- und Politikberatung.
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