Käte Hamburger Kolleg: Reflexionswissen zu „Einheit und Vielfalt im Recht“
Seit Juni 2021 beleuchtet das Käte Hamburger Kolleg „Einheit und Vielfalt im Recht“ an der Universität Münster Rechtsvielfalt aus historischer Perspektive. Wie das Kolleg die Bedeutung des Rechts für das gesellschaftliche Zusammenleben ins Licht der Öffentlichkeit rückt, und was man aus der Geschichte lernen kann, erfahren Sie hier im Interview mit dem KHK-Direktorium.
Im Interview: Direktorin Prof. Dr. Ulrike Ludwig und Direktor Prof. Dr. Peter Oestmann am Käte Hamburger Kolleg Münster „Einheit und Vielfalt im Recht“ (EViR)
Passend zu den Feierlichkeiten zum 375. Jahrestag des Westfälischen Friedens richteten Sie einen öffentlichen Gesprächsabend zum Thema „Wie sicher ist der Frieden? Der Westfälische Friede als völkerrechtlicher Vertrag“ aus. Inwiefern lassen sich aus dem Westfälischen Frieden Lehren für heute ziehen?
Prof. Dr. Peter Oestmann: „Lehren aus der Geschichte lassen sich schwer ziehen. In Münster benutzen wir oft das Schlagwort vom ‚Reflexionswissen‘, das eine vorschnelle Aktualisierung erschweren soll. Der Westfälische Frieden zeigt auf jeden Fall die langfristige Kraft normativer Regeln. Der Vertrag wurde als Reichsgrundgesetz für über 150 Jahre Teil der Verfassungsordnung des Alten Reiches. Zitate aus dem Vertrag waren wichtige Argumente bei Konflikten zwischen einzelnen Territorien. Zumindest innerhalb Deutschlands konnten diese Auseinandersetzungen häufig politisch oder gerichtlich gelöst werden. Eine wichtige, vielleicht unbequeme Lehre lautet zudem, dass man Friedensverhandlungen führen kann, auch wenn der Krieg weitergeht.
Wie bettet sich der Gesprächsabend in die Forschungen Ihres Kollegs „Einheit und Vielfalt“ im Recht“ ein?
Prof. Dr. Peter Oestmann: „Der Westfälische Friede gilt oft als Beginn des modernen säkularen Völkerrechts. Dieses Völkerrecht beruht auf zwischenstaatlichen Verträgen und hat sich nach und nach zu einem eigenen Rechtsgebiet verfestigt. Wenn eine große Zahl von Staaten das Völkerrecht akzeptiert, führt dies zumindest in den Grundzügen zu einheitlichem Recht in internationalen Beziehungen.“
Und worin liegt – vor dem Hintergrund der Gegenwart – die Relevanz des Themas Einheit und Vielfalt im Recht?
Prof. Dr. Ulrike Ludwig: „Die Beschäftigung mit historischen Beispielen von Rechtsvielfalt, aber auch von Initiativen zur Rechtsvereinheitlichung verschafft uns zum einen interessante Einblicke in die Frage, wie man in früheren Gesellschaften mit gesellschaftlicher Vielfalt umgegangen ist und welche Effekte die rechtliche Festschreibung von Unterschieden hatten.
Zum anderen führt die Frage nach den Erscheinungsformen und Mustern von Rechtsvielfalt dazu, die Möglichkeitsbedingungen von Recht und Rechtsprechung in den Blick zu nehmen, aber auch Widersprüche und Ambivalenzen stärker in den Mittelpunkt zu rücken.
Und schließlich ist die Betrachtung von Einheit und Vielfalt im Recht aufschlussreich für die Frage nach dem nicht selten recht selbstverständlichen Neben- und Miteinander von außergerichtlichen und innergerichtlichen Formen der Konfliktlösung. Hier zeigt sich immer wieder, dass die Menschen die Angebote nutzten, die aus ihrer Sicht besonders vielversprechend für eine möglichst dauerhafte Lösung waren. Das war und ist durchaus nicht immer der Gang vor Gericht.
Die Betrachtung historischer Beispiele bietet natürlich keine Anleitung für die Herausforderungen unserer Gegenwart, aber sie kann sicherlich helfen, heutige Phänomene einzuordnen und zu bewerten.“
Welche Rolle spielt dabei der Wissenstransfer?
Prof. Dr. Ulrike Ludwig: „Wir wollen ins Gespräch kommen, möglichst mit Menschen aus unterschiedlichen Kontexten. Das reicht von den Fachkolleginnen und -kollegen, über die Stadtgesellschaft bis hin zu Richterinnen und Richtern. Wir wollen und können mit unserer Forschung vor allem Reflexionswissen anbieten, wir liefern Informationen zu Kontexten und Konstellationen, die Vergleiche möglich machen. Zugleich profitieren wir selbst sehr von diesem Austausch, denn dadurch gelingt es uns einfach besser, das eigene Argument zu schärfen und eben jene Aspekte herauszufiltern, die einen historischen Fall auch für heutige Betrachterinnen und Betrachter interessant machen.“
Ihnen beiden herzlichen Dank für das Interview!
(Das Interview erfolgte schriftlich am 21. Juli 2023, Fragen Katrin Schlotter)
Das Käte Hamburger Kolleg „Einheit und Vielfalt im Recht“ (EViR)
Das Käte Hamburger Kolleg „Einheit und Vielfalt im Recht“ (EViR) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wird seit 2021 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Fellows aus aller Welt erforschen hier gemeinsam mit Münsteraner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern das dynamische Spannungsverhältnis zwischen Einheit und Vielfalt im Recht von der Antike bis zur Gegenwart. Damit wird erstmals eine systematische Untersuchung des Phänomens in seiner gesamten historischen Tiefe und über Fächergrenzen hinweg angestrebt.
Aktuelle Bekanntmachung
Die Bekanntmachung zur Förderung von Käte Hamburger Kollegs (Bundesanzeiger vom 01.04.2019) wird am 1. April 2023 ein letztes Mal geöffnet. Projektskizzen können bis spätestens zum 15. Januar 2024 eingereicht werden.
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