Das Irreparable erzählen: Kossi Efoui als Artist in Residence am Käte Hamburger Kolleg im Saarland

Im Winter 2024/25 ist der togoisch-französische Schriftsteller Kossi Efoui als Artist in Residence am Käte Hamburger Kolleg für kulturelle Praktiken der Reparation (CURE) an der Universität des Saarlandes zu Gast.

"Literatur im Gespräch" Kossi Efoui zu Gast im Saarländischen Rundfunk

"Literatur im Gespräch" Kossi Efoui zu Gast im Saarländischen Rundfunk

Saarländischer Rundfunk

Der Austausch mit dem Schriftsteller Kossi Efoui über die Möglichkeiten, das Irreparable zu erzählen, hat die letzten Monate am Kolleg geprägt. In seiner Zeit in Saarbrücken hat Kossi Efoui auch Schüler und Schülerinnen getroffen und ist in einem Radiofeature zu hören.

„Geh, bau dir woanders ein Leben auf und komm nicht zurück“ (Va vivre ailleurs et ne reviens plus)

In Kossi Efouis autobiographischem Roman Une magie ordinaire (2023) sind das die Worte der Mutter, die ihren Sohn im Angesicht der politischen Bedrohung zur Flucht aus Togo auffordert. Beide sind konfrontiert mit Erfahrungen des Irreparablen, Erfahrungen von Flucht, kolonial erzeugter Sprachlosigkeit und politischer Repression. Und beide verbindet die Entschlossenheit, diesen choses dures (frz. "harte Dinge"), wie es im Roman heißt, ein künstlerisches Schaffen entgegenstellen. Das Medium der Mutter ist der Gesang, das des Sohns der literarische Text.

Forschung und Wissenstransfer bei CURE

Kossi Efoui zu Gast im Saarländischen Rundfunk

Kossi Efoui zu Gast im Saarländischen Rundfunk

Kossi Efoui, der seit seiner Flucht im französischen Exil lebt, ist im Winter 2024/25 Artist in Residence des Käte Hamburger Kollegs für kulturelle Praktiken der Reparation (CURE) an der Universität des Saarlandes. Die Fragen, die ihn als Schriftsteller beschäftigen, stehen im Zentrum des CURE-Forschungsprogramms: Wie können irreparable historische und persönliche Traumata erzählt werden? Auf welche Weise kann in solchen Erzählungen eine reparative Zukunft der Welt mitgestaltet werden? In diesem Zusammenhang spielt für Kossi Efoui insbesondere das Vermögen von Sprache, Stimme und Klang eine Rolle. Darüber hat er während seiner Zeit bei CURE auch in einer öffentlichen Lesung im Saarbrücker Filmhaus gesprochen: Über Une magie ordinaire (frz. "eine gewöhnliche Magie") diskutierten mit ihm Elara Bertho (CNRS, CURE-Fellow 2024), CURE-Programmleiterin Hannah Steurer und etwa 40 Besucher und Besucherinnen der Veranstaltung, die einen Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung THE TRUE SIZE OF AFRICA bildete. Deren Vernissage im UNESCO Weltkulturerbe Völklinger Hütte am 8. November 2024 war zugleich die Eröffnung des Käte Hamburger Kollegs CURE.

Auch Une magie ordinaire ist eine Auseinandersetzung mit der true size (engl. "wahre/wirkliche Größe") von Kulturräumen, die von kolonial gesetzten Grenzen zerschnitten werden. In einer Neukartierung erzählt der Roman in der Geschichte von Mutter und Sohn gegen diese Grenzen an, nicht zuletzt im Dialog des Schriftstellers mit seinen Kindern. Ihre Fragen nach Genealogie und Geschichte geben dem Text seinen Rhythmus. Und die Magie ordinaire des Romantitels wird, wie Kossi Efoui in der Diskussion im Filmhaus betont hat, zur Formel einer poetischen Perspektive auf die Welt. Die Alltagserfahrungen der choses dures sind für ihn Ausgangspunkt und Beweggrund des literarischen Schreibens.

An den Abend im Filmhaus anknüpfend stellten Kossi Efoui und CURE-Fellow Andrea Allerkamp in der Working Group des Kollegs am 30. Januar Ausschnitte aus Une magie ordinaire und Solo d’un revenant (frz. "Solo eines Zurückgekehrten") (2008) in den Mittelpunkt. Zentral für die Auseinandersetzung mit den Texten war vor allem das Nachdenken über Musikalität und Rhythmus als reparative Schreibstrategien.

„In Zeiten, in denen das Leben schwer ist, in denen nicht alles gesagt werden darf, kann der poetische Akt, wenn nicht heilen, so doch Kraft geben, weiterzumachen.“

Kossi Efoui im Gespräch mit Tilla Fuchs, SR Kultur

Über die Frage, wie Erzähltexte und Theaterstücke als kulturelle Praktiken der Reparation funktionieren können, hat sich Kossi Efoui am 19. Februar 2025 auch mit Schülerinnen und Schüler des Saarbrücker Willi-Graf-Gymnasiums ausgetauscht. Warum ist er Schriftsteller geworden? Wie sieht er das postkoloniale Verhältnis zwischen Frankreich und Togo? Was bedeutet es, in einer Sprache zu schreiben, die nicht die Muttersprache ist? Im Gespräch hat Kossi Efoui deutlich gemacht, inwiefern seine Texte als Übersetzungsprozess funktionieren – zwischen Französisch und Ewe, zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, zwischen Mutter und Sohn.

Seit dem 19. Februar 2025 gibt es Kossi Efoui auch zum Nachhören beim Saarländischen Rundfunk (SR): Mit der SR-Journalistein Tilla Fuchs spricht er in der Sendung Literatur im Gespräch über den Roman Une magie ordinaire, seine Zeit als CURE-Artist in Residence, über seine Perspektive auf kulturelle Praktiken der Reparation und über die Verbindung zwischen politisch-gesellschaftlicher Alltagsrealität und der Magie eines poetischen Blicks auf die Welt.

Das Käte Hamburger Kolleg für kulturelle Praktiken der Reparation (CURE)

Das Käte Hamburger Kolleg für kulturelle Praktiken der Reparation (CURE) an der Universität des Saarlandes ist ein Institute for Advanced Study und wird seit April 2024 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Mit dem Programm der Käte Hamburger Kollegs bietet das BMBF herausragenden Forschenden aus den Geistes- und Sozialwissenschaften seit 2008 die Möglichkeit, frei von Lehr- und administrativen Verpflichtungen zu einer selbstgewählten gesellschaftsrelevanten Fragestellung zu forschen. Die Leitung des Käte Hamburger Kollegs CURE liegt bei Prof. Dr. Markus Messling und Prof. Dr. Christiane Solte-Gresser. Pro Jahr forschen bis zu zwölf internationalen Fellows im Kolleg.


Autorin: Hannah Steurer

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