Europäische Holocaust-Forschung: Kurz vor dem 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz startete das neue EHRI-ERIC
Im Januar 2025 war es soweit: der bereits seit 2010 bestehenden European Holocaust Research Infrastructure (EHRI) wurde der Status eines sog. ERIC zuerkannt. Damit wird aus EHRI eine rechtlich selbstständige, dauerhafte europäische Forschungsinfrastruktur. Die Feierlichkeiten zum Anlass der Gründung fanden am 26. Januar 2025 im Museum zur Geschichte der polnischen Juden POLIN in Warschau statt.
Ziel von EHRI-ERIC ist es, die weltweit verstreuten Dokumente und Quellen zum Holocaust zusammenzuführen, sie für Forschung und Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sie dauerhaft für die Nachwelt zu bewahren. Gründungsmitglieder des neuen Forschungsinfrastruktur-Konsortiums sind Deutschland und neun weitere europäische Länder.
Am 27. Januar 2025, am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, jährte sich die Befreiung des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers zum achtzigsten Mal. Am Vorabend des Gedenktages wurde die Gründung von EHRI-ERIC, mit der die wissenschaftliche Aufarbeitung und die Erinnerung an den Holocaust eine nachhaltige Stärkung erfährt, mit einer feierlichen Veranstaltung im Warschauer POLIN Museum gefeiert. Hochrangige Repräsentanten aller zehn Mitgliedsländer, darunter der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Polen, Viktor Elbling, unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung, mit der sie die Bedeutung der Holocaust-Forschung und -dokumentation und ihre langfristige Unterstützung für EHRI bekräftigten. Gerahmt wurde die Unterzeichnung der Erklärung durch Redebeiträge von Vertreterinnen und Vertretern des Gastgeberlandes Polen, der Niederlande als Sitzland von EHRI sowie der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments (siehe EHRI-Pressemitteilung v. 26.1.2025). Ehrengast war die Zeitzeugin Krystyna Budnicka, Ehrenbürgerin von Warschau, die als einziges Kind von acht Geschwistern die Schrecken des Warschauer Ghettos und des Holocaust überlebte. Ihr eindrücklicher Bericht über das Leben und Überleben im Ghetto mahnte die Anwesenden, die Erinnerung an den Holocaust weiterhin und auch für künftige Generationen wachzuhalten.
Aus EHRI wird EHRI-ERIC: Am 26. Januar 2025 – dem Vorabend des Holocaust-Gedenktages – wurde im POLIN-Museum in Warschau aus diesem Anlass die feierliche Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung der Mitgliedsländer statt.
Maciek Jazwiecki
EHRI wird zum 30. ERIC
Bereits seit 2010 vernetzt EHRI wichtige Archive und Institute, um der räumlichen Fragmentierung der Holocaust-Dokumentation und –Forschung entgegenzuwirken. Nachdem bereits 2018 mit der Aufnahme von EHRI auf die europäische Roadmap für Forschungsinfrastrukturen des European Strategy Forum on Research Infrastructures (ESFRI) die hohe wissenschaftliche Relevanz des Vorhabens bestätigt wurde, unterstreicht die nun erfolgte Anerkennung als dauerhafte, europäische Forschungsinfrastruktur die entscheidende Rolle von EHRI für die wissenschaftliche und gesellschaftliche Aufarbeitung des Holocaust.
EHRI ist die dreißigste Forschungsinfrastruktur europaweit, der die Europäische Kommission seit 2011 den Status eines ERIC (European Research Infrastructure Consortium) zuerkannt hat. Ein ERIC ist eine besondere europäische Rechtsform mit dem Ziel des Aufbaus und Betriebs transnationaler Forschungsinfrastrukturen. Deutschland ist eines der Gründungsmitglieder von EHRI-ERIC und zugleich einer der größten Mittelgeber. Gemeinsam mit Deutschland beteiligen sich Israel, Kroatien, die Niederlande, Polen, Österreich, Rumänien, die Slowakei, die Tschechische Republik und Großbritannien an der Holocaust-Forschungsinfrastruktur. Das BMBF trägt mit einem jährlichen Mitgliedsbeitrag von ca. 400 T€ zur Finanzierung von EHRI-ERIC bei und vertritt Deutschland im Aufsichtsrat der Forschungsinfrastruktur.
Bewahren – erforschen - erinnern
Die gemeinsame europäische Forschungsinfrastruktur EHRI-ERIC treibt die moderne Forschung voran, bildet Expertinnen und Experten aus und vernetzt nationale Exzellenzzentren. Außerdem öffnet sie den Zugang zu umfangreichen, europaweit verteilten Datensätzen und erleichtert damit wissenschaftliche Analysen.
Gleichzeitig bewahrt EHRI-ERIC das kulturelle Erbe Europas, sie bewahrt bislang verstreute Quellen zum Holocaust an einem Ort und stellt so sicher, dass sie für heutige und kommende Generationen relevant und zugänglich bleiben. Ein entscheidender Beitrag, um Holocaust-Leugnung und Antisemitismus zu bekämpfen und stattdessen Holocaust-Bildung und -Erinnerungsarbeit zu stärken.
Auch die Wirtschaft profitiert: EHRI-ERIC modernisiert die Archivpraxis, indem es Wissensaustausch und neue Ideen, zum Beispiel über Standards, fördert. Zudem ermöglicht EHRI-ERIC Arbeitsplätze in der Archiv-, Kreativ- und Digitalbranche. EHRI-ERIC bringt Institutionen zusammen und stärkt ihre Zusammenarbeit (siehe Pressemitteilung Europäische Kommission (20.01.2025)).
EHRI-ERIC Angebote
Das EHRI-ERIC Onlineportal öffnet den Zugang zu Archivbeständen zum Holocaust, die in Institutionen innerhalb und außerhalb Europas lagern. Forschende finden dort eine Fülle an Ressourcen: Länderberichte, ein Archivverzeichnis und digitale Editionen historischer Quellen. Das Portal bietet mehr als nur Dokumente – es vernetzt und fördert. Darüber hinaus ermöglicht das Conny Kristel Fellowship Programm den Austausch mit führenden Institutionen, während Workshops und Seminare neue digitale Methoden und innovative Ansätze in der Holocaust-Forschung vermitteln. Wer in die vielfältigen Angebote von EHRI-ERIC eintaucht, erkennt schnell: die Holocaust-Forschungsinfrastruktur ist weit mehr als ein akademisches Thema – sie bildet eine nachhaltige Grundlage für offene und diskriminierungsfreie Gesellschaften in ganz Europa und weltweit.
Sitzland von EHRI-ERIC sind die Niederlande (NIOD Institute for War, Holocaust and Genocide Studies an der Königlichen Akademie der Wissenschaften Amsterdam).
27 wissenschaftliche Partnerorganisationen (Europa und international)
Portal: Informationen zu Archivmaterial in und außerhalb von Europa.
Conny Kristel Fellowship: Forschungsaufenthalte von bis zu sechs Wochen an einem oder mehreren EHRI-Partnerinstitutionen.
Onlinekurse: Quellenmaterial und Hintergrundinformationen; Überblick über aktuelle Trends in der Holocaust-Geschichtsschreibung.
Document Blog: Möglichkeit zur Analyse von Arbeitsthesen, (vorläufigen) Forschungsergebnissen und interessanten Quellenfunden mit Hilfe digitaler Werkzeuge sowie deren öffentlicher Präsentation.
Online Editionen (open access): kuratierte Zusammenstellungen von Quellen/Zeitzeugnissen aus Archiven (derzeit verfügbar hier und hier).
Seminare: Veranstaltungen für wissenschaftlichen Nachwuchs zum Austausch mit Expert/innen, Methodendiskussion, Diskussion eigener Projekte.
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