Erfahrungen der Pandemiezeit wie Isolation, besondere Arbeitsbedingungen, Prekarität und Ungewissheit haben zu vielfältigen Belastungen geführt. Einige Entwicklungen der Pandemiezeit, wie z.B. das Arbeiten von zu Hause aus, haben einen Digitalisierungsschub ausgelöst und das Arbeitsleben in vielen Berufen grundlegend verändert. In anderen Bereichen haben die Erfahrungen keinen weitreichenden Wandel hervorgerufen. Wie haben sich die Belastungen und Neuerungen auf das heutige Alltagsleben und das Wohlbefinden von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ausgewirkt? Welche Unterstützungsmöglichkeiten und neuen Strukturen werden benötigt, um zukünftigen Krisen begegnen zu können?
Auf der Zwischenkonferenz diskutierten Teilnehmende in parallelen Online-Arbeitsgruppen zu den Themen „Krisenwahrnehmung“, „Resilienz“, „Arbeit“, „Benachteiligte Gruppen“ und „Fürsorgearbeit“ auf der Grundlage ihrer vorläufigen Forschungsergebnisse Fragen, die sich ihnen vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse stellen. Es wurde deutlich, dass sie aus sozial- und geisteswissenschaftlicher Perspektive einen entscheidenden Beitrag zur „systematischen und wissenschaftsgeleiteten Aufarbeitung der Pandemie und Pandemiemaßnahmen und der Rolle der Wissenschaft“[1] leisten, wie ihn die Pandemiekommission der Deutschen Forschungsgemeinschft (DFG) im November 2023 gefordert hatte.
Nachdem die Konferenzteilnehmenden in den Arbeitsgruppen und anschließend im Plenum ihre bisherigen Studienergebnisse vergleichend reflektiert hatten, fassten sie in einer Schlussdiskussion übergreifende Erkenntnisse zusammen. Davon leiteten sie schließlich auch praktische Handlungsempfehlungen ab, um den bestehenden negativen Folgen der Pandemie zu begegnen oder in zukünftigen vergleichbaren Krisen besser gewappnet zu sein.
Rückblickend kam ein aufschlussreicher Forschungsüberblick über soziale Folgen der Pandemie in Deutschland und Maßnahmen zu ihrer Eindämmung zustande. Auf dieser Basis und mit Blick auf die veränderte mittel- und langfristige Situation nach der Pandemie wurden Aussagen dazu getroffen, wie zukünftig mit ähnlichen Krisen umzugehen ist und wie vorgebeugt werden kann.
Ausgewählte Empfehlungen:
- Soziale Beziehungen spielten während der Corona-Pandemie sowohl in der beruflichen als auch in der privaten Sphäre eine ganz entscheidende Rolle, um Belastungen zu kompensieren. Für die Zukunft, so ein Ergebnis der Konferenz, ist die Schaffung bzw. Anerkennung solcher Räume wichtig. Beispielsweise müssten Schulen als Lebensort und Räume begriffen werden, in denen unter anderem für das Wohlergehen von Kindern gesorgt wird, und sie müssten dementsprechend organisiert werden.
- Zur Prävention sozialer Probleme, so wurde insgesamt geschlussfolgert, sind (Organisations-)Strukturen zum Umgang mit ähnlichen Krisen wie der Pandemie notwendig. Auch bestehende, gut etablierte und anerkannte Netzwerke boten während der Pandemie die Möglichkeit, arbeitsfähig zu bleiben. Ungeregelte Situationen haben während der Corona-Pandemie auch kreative Lösungen befördert. Zum Beispiel entstanden insbesondere in der Arbeitswelt mit den neuen organisatorischen Spielräumen gewisse (Entscheidungs-)Freiheiten. Allerdings stand der Flexibilisierung auch eine Prekarisierung in einem unklar geregelten Raum gegenüber. In Bezug auf das digitale Arbeiten im Homeoffice als einer Arbeitsform der Zukunft erinnern die Forschungsergebnisse daran, dass verschwimmende Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben während der Pandemie als sehr belastend empfunden wurden, weil eine ständige Verfügbarkeit erwartet wurde.
- Generell wurden in allen Situationen, in denen es keine Lösungen für pandemiebedingte Probleme gab, unter Bedingungen massiver Unsicherheit flexible, teilweise individuelle Anpassungen notwendig. Gleichzeitig entstand das Gefühl, von der Politik nicht gesehen zu werden. Darüber hinaus wurden psychische Belastungen von den untersuchten Institutionen nicht adressiert (psychischen Belastungen in berufsschulischer Bildung wurde z.B. höchstens technisch begegnet).
- Gerade mit Blick auf Jugendliche und junge Erwachsene wurde gefragt, welche Auswirkungen die vielen Enttäuschungen und Unsicherheiten während der Pandemie mittel- und langfristig auf die Haltung junger Menschen und Erwachsenen zur Demokratie und auf ihr Demokratieverständnis haben. In diesem Zusammenhang zeigten die Ergebnisse quantitativer wie qualitativer Studien, dass bildungsgradübergreifend rund ein Drittel der Befragten in Deutschland offen für Verschwörungstheorien ist.
Zum Ende der Disskussionsrunden wurde es allen klar, dass es unabdingbar ist, weiter in den Bereich der Pandemie-Folgenforschung zu investieren. Es bedarf weiterer Projektforschung, so das Petitum, um erstens weiterhin die Pandemie auch aus sozial- und geisteswissenschaftlicher Perspektive aufzuarbeiten. Zweitens muss weiter über Neuerungen geforscht werden, die Gesellschaften befähigen, zukünftige ähnliche Krisen ohne soziale Verwerfungen zu überstehen. Schließlich wurde der Wunsch geäußert, der Forschung mehr Gehör zu verschaffen z.B. durch den Einbezug von Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft auf Konferenzen. Auf diese Weise soll der Mehrwert der sozial- und geisteswissenschaftlichen Forschung sichtbarer und ihre gesellschaftliche und politische Relevanz deutlicher gemacht werden.
Auch wenn die 18 Projekte auf der Zwischenkonferenz erst vorläufige Ergebnisse präsentierten, vermittelten sie bereits nach zwei Jahren Forschungsarbeit wichtige Erkenntnisse über gesellschaftliche Auswirkungen der Corona-Pandemie, sowohl im Hinblick auf die einzelnen Themen und Fragestellungen als auch in der Gesamtschau. Da die Forschungsprojekte auch mittel- und langfristige Lösungsansätze aufzeigen, legen sie gleichzeitig die Grundlage für Präventions- und Schutzmaßnahmen im Falle zukünftiger Pandemien und vergleichbarer Krisen. Nicht zuletzt können auf der Basis Ihrer Erkenntnisse langfristig Innovationen und Transformationen angestoßen werden.