ConflictA - Konfliktakademie: Konflikte verstehen und konstruktiv lösen

Wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Konfliktforschung in die Praxis zu übersetzen – das ist das Ziel von ConflictA, der seit 2023 vom BMBF geförderten Konfliktakademie am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Erfahren Sie mehr im Interview mit der ConflictA-Projektleitung Prof. Dr. Andreas Zick und Dr. Kerstin Eppert.

Konflikte hat es schon immer gegeben. Was hat sich in den letzten Jahren verändert?

Prof. Dr. Andreas Zick, ConflictA Leitung

Prof. Dr. Andreas Zick, ConflictA Leitung

AZ (Andreas Zick): Es gibt Anzeichen, dass sich Qualität und Intensität gesellschaftlicher Konflikte verändert haben. Der Rechtspopulismus hat Konflikte erzeugt, die nicht mehr konstruktiv reguliert werden, sondern destruktiv in Wut und Gewalt münden. Unter den Stichworten Spaltung und Polarisierungen wird über eine Zunahme von Konflikten diskutiert, die mit einer Zersplitterung des Zusammenhalts und Delegitimierung von Institutionen einhergeht. Zugleich nimmt die Verbundenheit von lokalen wie globalen Konflikten zu, was in Krisenzeiten das Konfliktpotenzial erhöht.

KE (Kerstin Eppert): Aktuell lassen sich gesellschaftliche Gruppen und Bewegungen unerwartet schnell mobilisieren, um bestimmte Themen politisch weiterzutragen. Das kann ein positives Gemeinschaftsgefühl erzeugen, wie die aktuellen Demonstrationen gegen rechts zeigen, aber auch negative Dynamiken beschleunigen. „Soziale Medien“ tragen dazu bei, dass Fakten und Unwahrheiten nebeneinanderstehen und mit einer bisher ungekannten Reichweite als realitätserklärend miteinander konkurrieren können.

Was möchten Sie mit der Konfliktakademie bewirken?

Dr. Kerstin Eppert, ConflictA Leitung Forschung & Transfer

Dr. Kerstin Eppert, ConflictA Leitung Forschung & Transfer

Sarah Jonen

AZ: Die Konfliktakademie, kurz ConflictA, soll ein Ort der Verständigung über gesellschaftliche Konflikte auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse sein. Die umfangreichen Wissensbestände der Konfliktforschung sollen für die Bearbeitung und Lösung konkreter gesellschaftlicher Konflikte nutzbar gemacht werden. Es gibt zudem unzählige Initiativen in Praxis und Zivilgesellschaft, die sich täglich mit verschiedenen Konflikten in Gemeinden und Kommunen auseinandersetzen. Wir wollen die Perspektiven in einen Austausch bringen und Foren für Dialog bieten, von dem beide Seiten profitieren und lernen können.

In welchen Bereichen ist die forschungsbasierte Auseinandersetzung mit Konfliktphänomen, -ursachen und -folgen besonders dringlich?

AZ: Am liebsten würde ich behaupten, in nahezu allen Bereichen. Aus unserer Forschung wissen wir, dass viele gesellschaftliche Konflikte schwer oder gar nicht zu regulieren sind. Oft fehlt konkretes Wissen über Konfliktphänomene, -ursachen und -folgen sowie Möglichkeiten des Konfliktmanagements, und zu selten nehmen wir uns als Gesellschaft die nötige Zeit, um diesen Fragen nachzugehen. Da wo es dieses Wissen gibt, können Konflikte präventiv besser so vorbereitet werden, dass sie verhandelt werden können. Aus Betrieben, die ein Konfliktmanagement oder Konfliktberatung haben, wissen wir das. Wir haben schon Projekte zum kommunalen Konfliktmanagement entwickelt und begleitet. In vielen Bereichen gesellschaftlicher Polarisierungen, die in Wut und Hass kippen, fehlt es an solchen Aushandlungsmöglichkeiten. Uns haben Politikerinnen und Politiker um Rat gebeten, dem wir kaum nachgehen konnten, weil wir in geförderten Projekten nicht einfach etwas anderes machen können. Wir werden gefragt, wie wir mit antidemokratischen Kräften umgehen können. Wie können gerade in Krisenzeiten Gefühle von Benachteiligung nicht zu einem Abrücken von demokratischen Orientierungen führen? All das sind Fragen, die wir mit den Möglichkeiten einer Akademie besser bearbeiten können.

KE: Es geht auch um Fragen einer Verbesserung öffentlicher und gesellschaftlicher Debattenkultur oder, wie zu konfliktbehafteten emotionalisierten Themen eine sachliche Auseinandersetzung möglich ist. Und es geht auch um die Frage, wie Demokratie- und Wissenschaftsfeindlichkeit mit Aufklärung, Transparenz und Partizipationsmöglichkeiten begegnet werden kann.

Wie kommen Ihre Forschungsergebnisse der breiten (Fach-)Öffentlichkeit zugute?

KE: Wir haben in der Aufbauphase eine erste Struktur entworfen und Pilotprojekte gestartet. Das reicht von Analysen von Konflikten zwischen Gruppen in einem Stadtteil bis zur Frage, wie wir ein Konflikt-Mapping entwickeln können. Eines unserer Projekte testet den Übertrag von Studienergebnissen in Gedenkstättenarbeit und Lernmaterial; eines begleitet gerade wissenschaftlich ein Dialogtraining. Mit Blick auf die Wissenschaftskommunikation und den Wissenstransfer testen wir verschiedene partizipative Forschungsansätze und Kooperationen, und wir gleichen diese mit Möglichkeiten der zivilgesellschaftlichen Bildung ab. Wir untersuchen bestehende Konfliktlösungs- und Transformationsprozesse, aus denen längerfristig dann Bildungs- und Qualifizierungsangebote zum Verständnis von und Umgang mit Konflikten erarbeitet und wie diese wieder in die Bevölkerung zurückgespielt werden sollen.

AZ: Und schließlich soll die ConflictA auch den Dialog mit der Politik ermöglichen und Räume schaffen, die Konfliktdebatten ermöglichen – gerade für Themen, die kaum noch verhandelbar sind, ohne dass jemand Wut und Hass äußert.

Herzlichen Dank an Sie beide für das interessante Interview!

(Das Interview erfolgte schriftlich am 4. Februar 2024, Fragen: Katrin Schlotter)

ConflictA

Angesiedelt am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld

Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung

Förderzeitraum: 04/2023 – 03/2027

Der Leitsatz der ConflictA ist „Konflikte beforschen, besprechen, bearbeiten und daraus lernen.“

Webseite: www.conflict-a.de

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