DDR-Forschung: Wie das mediale Erbe die Gesellschaft beeinflusst
Wie prägen Medien das Bild der DDR-Gesellschaft, der staatlichen Repression in der SED-Diktatur und der individuellen Freiräume der DDR-Bürgerinnen und Bürger? Das hat der BMBF-Verbund „Das mediale Erbe der DDR“ seit 2018 erforscht – und seine Erkenntnisse bei der Abschlusstagung im Februar in Berlin präsentiert.
Podiumsdiskussion der Abschlussveranstaltung unter dem Titel „Wende-Bilder“.
Daria Gordeeva
Das Erbe der DDR ist bis heute Bestandteil der Auseinandersetzung um das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland. Das BMBF-geförderte Verbundprojekt „Das mediale Erbe der DDR“ hat sich intensiv mit der medialen Aufarbeitung der DDR und der Wendezeit befasst. Die Abschlusstagung, die am 20. und 21. Februar 2025 in Berlin stattfand, bot nicht nur eine Plattform für die Präsentation von Ergebnissen, Diskussionen und interdisziplinären Austausch, sondern markierte zugleich den Abschluss eines sechsjährigen Projekts.
Rückblick auf sechs Jahre Forschung
Dr. Daria Gordeeva ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München und Verbundkoordinatorin.
Daria Gordeeva
Seit 2018 erforscht der vom BMBF geförderte Forschungsverbund „Das mediale Erbe der DDR“, wie Medien das Bild der DDR-Gesellschaft, der staatlichen Repression in der SED-Diktatur und der individuellen Freiräume der DDR-Bürgerinnen und Bürger prägten und tradierten — sowohl vor und als auch nach 1989.
In der ersten Projektphase (2018 bis 2022; 14 Projekte) stand ein weiter Medienbegriff im Mittelpunkt: Neben tagesaktuellem Journalismus (Presse, Radio, Fernsehen) wurden auch private Überlieferungen (Fotos, Schmalfilme), kommerzielle Filme und Musik, kuratierte Erinnerungsorte (Museen) sowie Bildungsmedien (Schulbücher) untersucht. Ein zentrales Anliegen des Verbunds war zudem die Frage nach den langfristigen Folgen der DDR-Sozialisation – etwa für Medienschaffende und ihr Publikum.
In der zweiten Projektphase (Juli 2023 bis Juni 2025; 9 Projekte) rückte der gesellschaftliche und erinnerungsgeschichtliche Kontext stärker in den Fokus. Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass sich der Umgang mit dem medialen Erbe der DDR von der kritischen Aufarbeitung der Vergangenheit in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren zunehmend zu einer differenzierten Erinnerungskultur entwickelt hat, die verschiedene Erfahrungsräume und Perspektiven einbezieht. Gleichzeitig löst sich die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zunehmend von der erfahrungsgebundenen Erinnerung der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen – und öffnet sich damit neuen Deutungen.
„Mit zunehmender zeitlicher Distanz verlieren private und offizielle Medien aus der DDR ihre direkte Verbindung zur Lebensrealität der Zeitzeugengeneration – und werden insbesondere für Nachgeborene zur Projektionsfläche für neue politische, soziale und kulturelle Fragen“, sagt die Koordinatorin des Verbunds Dr. Daria Gordeeva, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München. Zudem bleibt der Fokus erhalten, der zwar die DDR, die Umbruchszeit und die 1990er Jahre analysiert und dabei bewährte Quellen und Methoden der Geschichtswissenschaft anwendet, jedoch auch das historiografische Interesse mit der Gegenwart und der Geschichtsvermittlung verknüpft.
Im Mittelpunkt der zweiten Phase standen Medien, die den gesellschaftlichen Wandel nicht nur abbilden, sondern ihn auch auf spezifische Weise mitgestaltet haben — darunter Musik (Schlager und DDR-Liedgut), erfolgreiche ostdeutsche Printmedien (Berliner Zeitung und SuperIllu), Fotografien, Filme sowie Museen, Bildungs- und Erinnerungsorte. Auch Phänomene wie ostdeutsche Medienskepsis werden berücksichtigt. Die Projekte verknüpfen individuelle Sinnbildung mit biografischen Erfahrungen und bieten zugleich wertvolle Handlungsempfehlungen für die Fachdidaktik und die politische Bildungsarbeit.
Abschlusstagung in Berlin
Die Abschlusstagung fand am 20. und 21. Februar in Berlin im Veranstaltungssaal der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur statt und bot einen tiefgehenden Blick auf die Rolle der Medien in der Transformation Ostdeutschlands und der DDR-Gesellschaft – sowohl vor als auch nach 1989.
Im Rahmen der Tagung präsentierten Forscherinnen und Forscher des „Medialen Erbes“ die Ergebnisse ihrer Arbeit und traten in den Dialog mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Kunst-, Geschichts- und Filmwissenschaft, Soziologie, Geschichtsdidaktik sowie Museen. Bereichert wurde die Veranstaltung durch Vorträge externer Referentinnen und Referenten, darunter Vertreterinnen und Vertreter des ebenfalls BMBF-geförderten Forschungsverbundes „Diktaturerfahrung und Transformation“. Die Veranstaltung richtete sich sowohl an Fachleute als auch an die interessierte Öffentlichkeit.
Medienwandel, Popkultur und Bildungsarbeit
„Unser Ansatz, das mediale Erbe zu untersuchen, verbindet die Sozialgeschichte der Transformation mit der Ausbildung von zeitgenössischen Deutungen und der Genese von Erinnerungen, die heute die aufgeheizte Debatte weiterhin prägen", betonte Prof. Dr. Frank Bösch, Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam und stellvertretender Verbundsprecher, zum Auftakt der Tagung und sprach über die Rolle der Medien im gesellschaftlichen Wandel nach 1989.
Im Themenbereich Medienwandel stand die Presse im Fokus: Während Maria Löblich und Elisa Pollack die Berliner Zeitung als Schauplatz innerredaktioneller Auseinandersetzungen um DDR-Narrative untersuchten, beleuchtete Tom Koltermann die SuperIllu als identitätsstiftendes Medium im ostdeutschen Pressemarkt. Auch andere Mediengattungen spielten eine Rolle: Lena Herenz analysierte die Entstehung des Deutschlandradios als medienpolitisches „Laboratorium der Einheit“, während Lea Frese-Renner den Einfluss des frühen Internets auf die DDR-Erinnerungskultur untersuchte. Lukas Friedrich befasste sich zudem mit der Skepsis gegenüber Leitmedien in Ostdeutschland, die weniger als Nachwirkung der DDR zu verstehen sei, sondern vielmehr aus aktuellen gesellschaftlichen Spannungen resultiere.
Weitere Vorträge widmeten sich populärkulturellen und künstlerischen Ausdrucksformen wie Musik, Film, bildender Kunst und Fotografie. Nikolai Okunew diskutierte die Fortsetzung ostdeutscher Schlagermusiktraditionen im MDR, während Anne Barnert und Daria Gordeeva filmische Diskurse aus der DEFA-Zeit und danach in Dokumentar- und Spielfilmen analysierten. Ein besonderes Highlight war die Podiumsdiskussion „Wende-Bilder“, moderiert von Dr. Uta Bretschneider, Direktorin des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig. Annett Jahn, Ulrike Mönnig, Anja Tack und Isabel Enzenbach sprachen über künstlerische Fotografie als Medium der Transformation. Die Diskussion machte deutlich, dass ostdeutsche Fotografie nicht nur ein visuelles Archiv des Alltäglichen in der DDR und des gesellschaftlichen Umbruchs darstellt, sondern auch eine kritische Perspektive auf die Wendezeit eröffnet. Michaela Mai widmete sich hingegen der Reflexion der Wendezeit in der bildenden Kunst.
Gedenkstätten und ihre Rolle in der Bildungsarbeit standen ebenfalls im Fokus: Julian Genten zeigte, dass DDR-Gedenkstätten in der Forschung im Vergleich zu NS-Gedenkstätten stark unterrepräsentiert sind und sich in ihrer Arbeit an Erkenntnissen aus der NS-Erinnerungskultur orientieren – mit teils kontroversen Debatten um politische Positionierung und Demokratiebildung.
„Das mediale Erbe der DDR ist so reich, dass es uns noch lange begleiten wird und uns noch viele bunte Veranstaltungsformate und Forschungsprojekte schenken muss. Das ist ein sehr dankbares Erbe, auch wenn es nicht immer leicht zu handhaben ist“, fasst Dr. Uta Bretschneider, Direktorin des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig und Moderatorin der Podiumsdiskussion, zusammen.
Autorinnen: Daria Gordeeva, Katrin Schlotter
Das Team von „Das Mediale Erbe der DDR“ (v. l. n. r.): Christoph Classen (ZZF), Jürgen Danyel (ZZF), Lea Frese-Renner (ZZF), Isabel Enzenbach (ZZF), Tom Koltermann (ZZF), Nikolai Okunew (ZZF), Frank Bösch (stellv. Sprecher, ZZF), Elisa Pollack (FU), Daria Gordeeva (Koordinatorin, LMU), Martin Lücke (stellv. Sprecher, FU), Irmgard Zündorf (ZZF), Maria Löblich (FU), Julian Genten (FU), Annette Vowinckel (ZZF).
Florian Völker, ZZF Potsdam
Daria Gordeeva
Florian Völker, ZZF Potsdam
Florian Völker, ZZF Potsdam
Förderung von Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der DDR-Forschung
Die Aufarbeitung der SED-Diktatur und ihrer Folgen bleibt 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und der deutschen Einheit eine zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe in ganz Deutschland. Diesem Ziel dient die Richtlinie zur Förderung von Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der DDR-Forschung vom Mai 2017. Das BMBF unterstützt damit die stärkere strukturelle Verankerung der DDR-Forschung in der deutschen Hochschul- und Forschungslandschaft.
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